THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 39 - 2014 NACHRICHTEN 25.09.2014

 

Nach Besuch von Gazprom-Chef: Ungarn stellt Gaslieferungen an Ukraine ein

Ungarn hat seine seit dem März 2013 aufgenommenen Erdgaslieferungen an die Ukraine am Donnerstag "bis auf Weiteres ausgesetzt". Der Pipelinebetreiber FGSZ machte dafür "technische Gründe" geltend, doch allen ist klar, dass es sowohl um große Politik als auch um die Gasbestände für den Winter in Ungarn geht. Energiepolitisch hat Russland Ungarn vollständig im Griff und demonstrierte das eindrücklich.

Ungarns starker Mann - und Viktor Orbán,
am Montag im Amt des Ministerpräsidenten in Budapest.

Update, 27.09.:

Der scheidende EU-Energiekommissar Oettinger hat sich am Freitag beeilt, den Gaslieferstopp Ungarns an die Ukraine nicht als "Teil einer Blockadetaktik" anzusehen. Auch die Sprecherin von Kommissionsvize Siim Kallas machte klar, dass nach den bestehenden Regularien in der EU "nichts und niemand Unternehmen in der EU davon abhält, frei über ihr Erdgas zu verfügen, sei dies auch von Gazprom erworben und wolle man es auch in Länder wie die Ukraine verkaufen." Beide Äußerungen stellen klar, dass man den Schritt Ungarns - bei allem Verständnis für das Bedürfnis, die Lager auzufüllen - zumindest für ein unglückliches Signal hält, weil der Eindruck, Russland könnte seine vorwinterliche Liefertreuean die EU mit ökonomischen Druck gegen die Ukraine versüßen lassen.

Am Freitag starteten in Berlin trilaterale Gespräche zwischen den Konfliktparteien EU, Ukraine und Russland über die Gasversorgungsfrage für den Winter (Mengen, Preise, Durchleitungsgarantien etc.). Dabei kam auch zu Tage, dass Gazprom - angeblich - technische Schweirigkeiten hat, die steigende Nachfrage aus Europa zu befriedigen, in verschiedenen Ländern sanken die Liefermengen in den letzten Wochen immer einmal wieder, gerade meldet Serbien eine 20%ige Reduzierung der Liefermengen und versuchte seinerseits Reserven aus Ungarn anzukaufen. Fachleute halten Schwankungen in den Lieferströmen zwar für normal, sind aber auch davon überzeugt, dass Gazprom - gerade im Umfeld wichtiger Verhandlungen - damit auch spielt, um den Pokereinsatz zu erhöhen.

Erstbericht, 26.09.: FGSZ (in Mehrheitseigentum der teilstaatlichen MOL) behauptet, dass ein wichtiger Knotenpunkt der Pipeline "Brüderlichkeit" wegen des erhöhten Aufkommens nach Ungarn derzeit keine Kapazitäten in die Ukraine leiten könne. Laut einer Mitteilung des Entwicklungsministeriums werden gerade die strategischen Bestände für den Winter aufgefüllt, die Lager sind derzeit nur zu 56% befüllt (Insider sagen “weit unter 50%”, die Sicherung der Winterreserve habe "absolute Priorität".

Der ukrainische Counterpart, Naftogaz, nannte den Schritt "unerwartet und unerklärlich" und stellte eine Verbindung zwischen dem Treffen von Premier Orbán und Gazprom-Chef Miller am Montag in Budapest her und erinnert daran, dass der Lieferstopp "nur Stunden vor den kommenden Drei-Parteien-Gesprächen (EU, Russland, Ukraine)" in Berlin am Freitag erfolgte.

 

Orbán erwähnte das Treffen mit Miller in einem Rundfunkinterview am Donnerstag und meinte dabei, dass die Gaslieferungen für den Winter aus Russland "garantiert" seien, politisch und sanktionstechnisch sollte man sich beim Ukrainekonflikt jedoch "auf das Schlimmste gefasst machen". Orbán wiederholte seine Forderung nach "Autonomie" für die Hungaroukrainer im Westen des Landes, ohne den Begriff zu spezifizieren. Die Erwähnung des A-Wortes hatte die Regierung in Kiew im Lichte der ostukrainischen Spearatistenbewegungen und der Okkupation der Krim bereits einmal schwer verstört.

Orbán sagte im Rundfunk weiter: "Wir brauchen eine Riesenmenge Gas und wir werden sie bekommen", die Lager werden bald schon zu 60% gefüllt seien. Einen Zusammenhang zum Lieferstopp an die Ukraine mochte er nicht herstellen. Orbán wurde von Miller außerdem hinsichtlich der russischen Wünsche zum von der EU blockierten South Stream Projekt gebrieft.

Das Volumen der Lieferungen, die einen Teil der von Russland eingestellten Mengen ersetzt, wurde seit diesem Frühjahr konsequent erhöht und erreichte zuletzt 6 Mrd. Kubikmeter pro Jahr bzw. knapp 17 Mio. Kubikmeter pro Tag. Dabei handelt es sich u.a. um Erdgas auch aus strategischen Lagern des Landes, die so fast zur Hälfte geleert wurden, weiterhin um Bestände aus Österreich und von eigenen Förderungen der MOL. Bei der Vermittlung der Transaktionen waren wiederum einschlägige Fidesz-Kreise als Vermittler involviert, wobei auch Firmen mit Off-Shore-Hintergrund zum Einsatz kamen. u.a. die MET von Orbán-Freund Garancsi. Diese Geschäfte sind für die halbleeren Tanks verantwortlich, die nun hektisch vor dem Winter aufgefüllt werden müssen, auch zum Preis des Vertragsbruchs mit anderen Partnern.

 

Russland hatte kürzlich angekündigt, ca. 500 Mio. Kubikmeter Erdgas in Ungarn als Lieferreserve zwischenlagern zu wollen, damit die Belieferung Europas auch bei einer Leitungskappung durch die Ukraine aufrecht erhalten werden kann. Dazu gibt es bereits ein Storage-Joint-Venture mit einer MOL und einer MVM-Tochter. Ungarn ist mit der MVM außerdem Partner beim in der Schwebe befindlichen South Stream Projekt sowie durch einen 10 Mrd. EUR-Kredit für den Ausbau des AKW in Paks an Moskau gebunden. Dass gerade Orbáns Ungarn, das in mehr als nur einem Fall russische Positionen in die EU trug, den russischen Gaslieferstopp an die Ukraine unterläuft, dürfte jedenfalls Thema des Gespräches zwischen Miller und Orbán am Montag gewesen sein.

Naftogaz und Partner Ukrtransgaz beschwerten sich in einer Aussendung bitterlich über die Unzuverlässigkeit von FGSZ und Ungarn, "dass es nicht für nötig erachtet, auch nur irgendwelche zusätzlichen Informationen zu den Gründen und der mutmaßlichen Dauer des Lieferstopps zu kommunizieren und warnt Ungarn davor, sich zum Akteur im Versuch zu machen, "Energie als politisches Erpressungsmittel" einzusetzen.

red.

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