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(c) Pester Lloyd / 45 - 2014   WIRTSCHAFT   06.11.2014

 

Bis Ultimo: Details zum Forex-Kreditumtausch und zum neuen Bankengesetz in Ungarn

Der pathetisch geführte Kampf Orbáns gegen die Banken steuert auf einen weiteren Höhepunkt zu. Bis Ende des Jahres sollen die Forex-Gesetze unter Dach und Fach und damit Fremdwährungskredite für Privatpersonen Geschichte sein. Ein Gesetz über "faires Banking" wird damit gekoppelt, doch Ruhe wird Orbán erst geben, wenn er den Großteil des heimischen Finanzmarktes kontrolliert und damit auch das Vermögen seiner Bürger...

Am Mittwoch betonte Premier Orbán noch einmal die "Dringlichkeit" des geplanten Forex-Kreditumtausches, der endlich einen Schlussstrich unter private Kredite in Fremdwährungen und den damit einhergehenden Kurs- und Überschuldungsrisiken machen soll. Seit vier Jahren versuchte man den Druck aus dem ökonomischen wie sozialen Dampfkessel der privaten Überschuldung zu lassen, kümmerte sich aber durch exakt zugeschnitte Umtausch- und Kreditablöseprogramme zunächst erst um die Klientel. Wer konnte, durfte schon vor Jahren seine Hypotheken mit einem lockeren Drittel Abschlag loswerden. Die Ärmsten, also die Masse, ließ man links liegen.

Nun sollen Fremdwährungskredite generell abgeschafft werden. Das Gesetz "will Kreditnehmer schützen" und mit einem neuen "Gesetz zum fairen Bankwesen" gekoppelt werden, parolisiert die Regierung. Besitzstand und Eigentumsrechte der Banken werden einem Gesellschaftsziel untergeordnet. Rund ein Viertel der Forex-Kredite sind notleidend, lies: faul, die Gesamtverschuldung beträgt rund 25% des BIP (was belegt, dass die als sorglos Kredite aufnehmenden Bürger doch deutlich vernünftiger agierten als der Staat, der mit über 80% verschuldet ist).

 

Immer mehr Details des mutmaßlichen Prozederes werden nun bekannt. So will die Nationalbank rund 9 Milliarden Euro, also mehr als ein Viertel ihrer gesamten Devisenreserven den Banken zur Verfügung stellen, um die Konvertierung der Kredite zu bewerkstelligen, bereits jetzt stehen den Instituten 3 Milliarden EUR zur Deckung ihres Devisenbedarfs für die Rückzahlung der seit kurzem als überhöht eingestuften einseitigen Gebühren-, Raten- und / oder Zinsanpassungen zur Verfügung. Ein Geschäft, bei dem viel Geld versickern kann, so etwas lässt sich Nationalbankpräsident Matolcsy niemals entgehen...

Die Fidesz-KDNP-Fraktion, namentlich Fraktionsch Rogán, stellte heute einige Details des neuen Bankengestetzes, das offiziell "Gesetz über gerechtes Banking" heißen soll, in den Raum:

> Den Banken ist eine Anpassung der Zinssätze und Raten nur noch alle drei Jahre möglich. Dazu müssten sie außerdem einen "objektiven Indikator" anführen, der von der Nationalbank anerkannt ist.

> Andere Gebühren (also Kontoführungsgebühren, Verkaufsprovisionen) dürften nur noch im Rahmen der Inflationsrate angehoben werden. (das ist quasi das gleiche Preisdiktat wie bei den Energiekonzernen)

> Banken müssen hinfort "sämtliche Vertragsänderungen 90 Tage im voraus ankündigen".

> Die Raten für Verzugszinsen sollen gedeckelt werden

> alle drei Jahre erhalten Schuldner das Recht, ihre Kredite zu kündigen (also auf einen Schlag zurückzuzahlen), ohne dass dafür Gebühren oder Ausfallzinsen erhoben werden dürften. (Das ist wieder einer dieser Maßnahmen, der praktisch nur Jenen hilft, die ohnehin Geld haben)

> Forex-Kredite sind grundsätzlich nicht erlaubt, es sei denn, der Kreditnehmer kann ein regelmäßiges und ausreichend hohes Einkommen in Devisen nachweisen oder "trägt das Währungsrisiko freiwillig"ä

All diese Regeln sollen ”spätestens” per 1. Januar 2016 für alle bestehenden und neuen Kredite gelten. Das neue Bankengesetz macht zudem eine Neuvergabe der Bankenlizenzen notwendig, was zu einer ersten "Marktbereinigung" führen wird.

Rogán hofft, dass diese Gestze dazu beitragen werden, dass die Zinssätze "generell" fallen, denn die Regierung käme einigermaßen in Erklärungsnot, wenn die Bankkunden nach der Umtauschaktion merken, dass zwar das Währungsrisiko entfällt, dafür aber höhere, sehr viel höhere Zinsen fällig werden - was übrigens der Hauptgrund war, warum Hunderttausende damals Forex-Kredite wählten.

Schuldner dürften durch die neuen Regelungen in Summe mit einer Entlastung von bis zu 25% rechnen, so hieß es zumindest bisher. Ein Teil davon, je nach Fall von 0 bis 15% wird den Kunden in den kommenden Monaten, wenn alle Rechtswege bestritten sind, durch die
retroaktive Gesetzgebung hinsichtlich "unfairer, einseitiger Vertragsänderungen" von den Banken gutgeschrieben. In Summe werden das rund 2,5-3 Milliarden Euro sein und damit ungefähr die Hälfte dessen, was den Bürgern durch den bewusst oder aus ökonomischer Tölpelhaftigkeit sowie wegen äußerer Faktoren auf Talfahrt geschickten Forint in den vergangenen fünf Jahren an zusätzlichen Bürden auferelegt worden war.

Da sich nun aber abzeichnet, dass man den Banken wegen dieser und auch der anderen teils exzessiven Belastungen der vergangenen vier Jahre soweit entgegenkommen muss, dass sie das Kreditwesen nicht vollends lahmlegen, hat man doch den Marktkurs für den Umtausch ansetzt, der wohl zu einem Stichtag fixiert wird. Woher aber soll dann noch die 25%ige Entlastung kommen, wenn nicht durch einen fixierten Wechselkurs? Nur ein kalkulierter weiterer Wertverlust des Forint gegenüber EUR und CHF könnte diese Vorgabe dann noch erfüllen, allerdings nicht als Entlastung, sondern als geringere zusätzliche Belastung. Ein Unterschied, der im PR-Getöse der Regierungspartei regelmäßig plattgewalzt wird.

Fakt ist und bleibt auch nach dem neuen Gesetz, dass Schuldner ihre Schulden letztlich nur bei ausreichend hohem und stabilen Einkommen, also durch entsprechende Jobs bedienen und beherrschen können. Die Voraussetzungen dafür können jedoch nicht per Präsidialdekret geschaffen werden und widersprächen auch dem Fidesz-Anspruch absoluter Macht über alle Lebensbereiche, vor allem aber über die lukrativeren.

Mit der MKB, die sich Orbán
direkt in sein Vorzimmer hat legen lassen, mehr aber noch mit dem wohl größten Coup der neuere ungarischen Bankengeschichte, der Ent- und Aneignung der Spargenossenschaften / Takarékbank, hat der Premier bereits vorgezeichnet, wo die Reise hingeht. Es wird ein paralleles, sozusagen informelles Bankensystem geschaffen. Die MKB fungiert dabei als Hausbank und Privatschatulle des Premiers, die ihm Einzelprojekte kofinanzieren kann bzw. bei Bedarf in "treue Hände" rückpriviatisiert wird. Die Eximbank nimmt Anleihen vorbei an der offiziellen Schuldenmessung auf und unterstützt zudem die Exportaktivitäten der einschlägigen Firmennetzwerke. Die Entwicklungsbank MFB agglomeriert die Finanzaktivitäten der Staatsbetriebe und kofinanziert die EU-Geldflüsse und die Takarékbank mit ihren hunderten Kleinstfilialen ist schließlich für die Kleinkreditvergabe und damit die Lenkung der feudalen Abhängigkeiten in den Kommunen zuständig.

 

Dabei geht es nicht nur um die unmittelbare Selbstbereicherung, sondern auch um eine weitere Absicherung der Macht. Nicht nur einmal war davon gesprochen worden, dass man die "Vermögen der Menschen für die Stabilisierung der Wirtschaft" "mit heranziehen" könne und solle. Der vermehrte Verkauf von Staatsanleihen im Inland, forciert durch die heftigen Zinssenkungen der Nationalbank, sind ein Schritt in diese Richtung, aber die Finanzlage Ungarns kann sich - zumal beim sprunghaften, irrationalen Gebahren Orbáns - einmal derart verändern, dass eine Art Volks- oder Kriegsanleihe notwendig wird. Diese auch gegen den Willen des Volkes durchzusetzen, fällt bedeutend leichter, wenn man ihre Konten kontrolliert. Ein unwahrscheinliches Szenario? Fragen Sie einmal die Weißrussen, wie unwahrscheinlich das ist. Orbán hatte schon bei der Beschlagnahme und zweckfremden Verwendung der privaten Rentenbeiträge, immerhin im Wert von 10% des BIP, bewiesen, dass er keinen Respekt für das Privateigentum seines Volkes hat.

Orbán will also nicht, wie es ihn anhimmelnde Kapitalismuskritiker gerne herauslesen, das Bankensystem an sich verändern, sondern nur die Kontrolle darüber. Die Schadenfreude über stöhnende Bankenvorstände vernebelt da manchem den Blick. Sowohl Finanzminister Varga als auch Notenbankchef Matolcsy sprachen davon, dass vier bis fünf größere Institute in den kommenden Jahren vom ungarischen Markt verschwinden werden, auch solche, die heute noch eingigelt zu überwintern versuchen. Deren Geschäftsfelder werden dabei aus den Händen gieriger und skrupelloser Finanzkapitalisten, in jene von nimmersatten und egomanen Nationalisten übergeben...

red. / cs.sz.

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