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(c) Pester Lloyd / 07 - 2015   WIRTSCHAFT   09.02.2015

 

Die Erste wird nicht die Letzte sein: Teilverstaatlichung der Erste Bank Ungarn

Orbán kauft wieder Banken. Wie aus Fachkreisen verlautet, werden Premier Orbán und der Chef der Erste Gruppe, Andreas Treichl, auf einer Pressekonferenz um 16 Uhr in Budapest den Teileinstieg des ungarischen Staates sowie der Europäischen Bank für Entwicklung und Wiederaufbau, EBRD, bei der Erste Bank Ungarn verkünden. Über eine Kapitalerhöhung sollen beide neuen Anteilseigner je 15% erwerben. Wozu?

Coup oder teures Hobby? Orbán greift nach der Erste Bank in Ungarn
Foto: MEK, Montage: PL

 

Gleichzeitig mit der Kapitalerhöhung will die Erste Bank in bestimmten Segmenten (vor allem KMU) ihr Kreditgeschäft wieder ankurbeln, das aufgrund der massiven Belastungen durch faule Kredite (Ausfallrate 23%+) und die Forex-Umtauschgesetze sowie gesetzlich vorgeschriebene Rückzahlungen von rückwirkend als unrechtmäßig erkannten, einseitigen Vertragsänderungen in dreistelliger Millionen-Euro-Höhe nahezu stillstand. Dabei könnte Orbán gleichzeitig eine Senkung der Bankensondersteuern (wohl ab 2016) ankündigen, die bereits zuvor als Teil einese "New Deal" mit den Banken in Aussicht gestellt worden war.

Die Erste vermeidet mit dem Schritt, notwendige Kapitalufstockungen in Ungarn aus eigenen Quellen vornehmen zu müssen, die das Ergebnis der Gruppe in den letzten Jahren schwer belasteten. Dafür gibt sie jedoch teilweise Hoheiten und Eigentümerrechte an den ungarischen Staat ab, die sie - aufgrund der sprunghaften, selektiven und teilweise retroaktiven Gesetzgebung ohnehin nicht mehr hatte. Ob das der erste Schritt zu einem allgemeinen Rückzug der Österreicher aus Ungarn ist, bleibt vorerst offen, wer Orbáns teils irrationale Ambitionen auf diesem Gebiet kennt, wird davon ausgehen.

Orbán bekommt nun einen Fuß in die Tür eines wichtigen Players auf dem ungarischen Bankenmarkt (Nr. 3) und weitet, nach der Übernahme der MKB, der Budapest Bank, der Spargenossenschaften sowie einiger kleinerer Institute, seinen direkten Einfluss auf den heimischen Finanzmarkt aus. Erklärtes Ziel seiner Regierung ist jedoch nicht ein erhöhter staatlicher Einfluss auf den Sektor, sondern eine Übernahme in "ungarische Hände". Darin sollen die Banken konsolidiert, zum Teil verschmolzen (
MKB mit BB) und später an "vertrauenswürdige ungarische Geschäftsleute" (Orbán), lies: Parteikreise und deren Günstlinge, rückprivatisiert werden, so wie das bei der Takarékbank / Spargenossenschaften bereits formvollendet und unter Einsatz der Legislative vorexerziert wurde.

Die öffentliche Hand, also der ungarische Steuerzahler trägt dabei das Risiko der Sanierung / Umstrukturierung. Bei der MKB spricht man bereits von
täglichen Millionenverlusten des neuen, staatlichen Eigentümers, bei der Széchenyi Bank wurden Steuermillionen zur Rettung von Oligarchenguthaben eingesetzt, die Spargenossenschafter verloren die Hoheit über das Management und die Verwendung ihrer Aktiva, mit denen nun einschlägig verufene Fondsmanager jonglieren dürfen.

Die EBRD, eine halböffentliche Multinationenbank finanziert diese Strategie Orbáns, die dem Bankkunden weder bessere Konditionen, noch mehr Planungssicherheiten verschafft, praktisch mit, ihr Engagement dürfte als temporär anzusehen sein (also wie ein Kreditgeber) und für die Erste-Führung eine Art Versicherung darstellen, dass Orbán nicht so ohne weiteres über eine Sperrminorität verfügt und die Österreicher irgendwann ganz blockiert.

 

Auch der zweitgrößte österreichische Bankenplayer in Ungarn, die Raiffeisen hat heute nach Börsenschluss Anküdigungen zu machen. Ob diese das Ungarngeschäft betreffen, bleibt abzuwarten, die RBI muss und will einige Osttöchter konsolidieren, eventuell werden problematische Geschäftsteile in eine Art Bad Bank ausgelagert bzw. verkauft. Kürzlich gab es Gerüchte, die Erste wolle die Raiffeisen Ungarn übernehmen, beide dementierten heftig. Die geplante Kapitalerhöhung macht einen solchen Schritt indes leichter möglich, Orbán könnte so gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Auf der Pressekonferenz von Bankenboss, EBRD-Präsident und Premier jedenfalls soll es Ankündigungen geben, die "den gesamten Bankenbereich" Ungarns betreffen und dessen “Rückkehr in den europäischen Markt” bedeuten. Bereits zuvor gab es mehrere Treffen zwischen hohen Regierungsbeamten und der Erste-Führung.

DETAILS UND REAKTIONEN, 10.02.:

Die Pressekonferenz am Montagnachmittag ergab keine substantiellen Abweichungen zu unseren obigen Informationen.

Orbán sprach von einer “strategischen Vereinbarung” mit der ERSTE, die also, um es im Klartext zu sagen: ihr Geschäftsrisiko, ihre Ausfälle und ihre Steuerlast auf Kosten ungarischer Steuerzahler reduzieren darf, dafür - zumindest selektiv - die Kreditmaschine wieder etwas anwirft und dabei staatliche (Fidsz-)Mitsprache zulässt. Die neuen Miteigner werden zwei “nicht geschäftsführende” Vorstände entsenden und außerdem im Aufsichtsrat vertreten sein.

Orbán kündigte eine Reduzierung der Sondersteuern für die Banken für 2016 und 2017 um insgesamt rund 195 Mio. EUR an, 2018 weitere Senkungen.

Fachleute sprechen vom Entstehen eines 2-Klassen-Bankenmarktes in Ungarn, also von Instituten, die dem Staat ganz oder teilweise gehören und jenen, die auf eigene Rechnung arbeiten müssen und Spielbälle der sprunghaften Gesetzgebung sind.

Perspektivisch könnte sich Orbán bei allen Institutionen einkaufen und auf diese Weise die Kontrolle über den Sektor erhöhen, schließlich legislativ untermauern. Experten sind skeptisch, ob der staatliche Einfluss Ungarn als Investitionsgebiet attraktiver macht, zollen Erste-Chef Treichl aber Respekt für die Cleverness, Orbáns Unersättlichkeit zu einer deutlichen Reduzierung seiner Verluste genutzt zu haben.

Der Deal, so sind sich Beobachter einig, bringt weder gesellschaftliche Vorteile, noch verändert er das Gebaren des Bankwesens, bringt also den Kunden keine Verbesserung ihrer Position. Orbáns Reformargument ist damit als PR-Begleitung gedacht und fachlich hinfällig.

Wie oben bereits beschrieben, wird die EBRD als eine Art Kreditgeber und Mediator zwischen Erste und Orbán fungieren.

Die politische Opposition warnt, dass diese “Aktion der Mafia-Regierung die Ungarn Milliarden kosten könnte”, so die MSZP, die fragt, “Wem nutzt dieser Deal?” Im “Lichte der derzeitigen sozialen Lage in Ungarn”, sei das Kaufen von Banken “inakzeptabel.” Das Geld das man benutzt, um sich in eine Branche einzukaufen, von der man nachweislich nichts versteht, solle man besser dafür nutzen, den Menschen ein besseres Leben zu bieten.

Ein Vertreter der Liberalen Partei, Wirtschaftsexperte Zoltán Bodnár, erkennt kein “begründbares Argument” für den Kauf, der nur durch eine “erhöhte Verschuldung” finanziert werden könne. Auch zieht für ihn das Argument nicht, dass die Mehrheit des ungarischen Bankwesens in “ungarischen Händen” sein müsse.

Erzsébet Schmuck, Abgeordente der Grünen (LMP) wil zunächst mehr Infos über den Kaufpreis und die genauen Bedingungen (Abwicklung wurde binnen 6 Monaten anberaumt, man munkelt einen Preis von 35-55 Mio. EUR für 15%). Frühere Aktionen hätten gezeigt, dass die Regierung mitunter deutlich mehr zahlt, als die Sache wert ist. (sie meint MKB, E.ON-Gastöchter). Die LMP stütze zwar die “Erhöhung eines ungarischen Anteils im Bankwesen”, will damit aber keine “Kollektivierung in allen Bereichen” verbinden. Derartiges hätte bisher keine Vorteile gebracht, sondern wurde immer nur dazu eingesetzt, die politische Gegenseite in Schach zu halten.

Die RBI wird ihre Polen- und Slowenientöchter verkaufen.

Mehr im FINANZMARKT

red.

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