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(c) Pester Lloyd / 47 - 2014   FINANZEN   18.11.2014

 

Wem nutzt es? Das Gesetz über die Eliminierung von Devisenkrediten in Ungarn

Am Montag wurde der Gesetzentwurf zur Umwandlung von Forexkrediten in Forint dem Parlament vorgelegt. Er ist als überfällige Korrektur, Risikoeindämmung und Erhöhung der Kontrolle über den Bankensektor zu begrüßen. Doch das Gesetz ist auch ein "echter Orbán" und daher gespickt mit Klientel- und Machtinteressen sowie Demagogie. Für die sozial Schwächsten ist die "größte Sozialmaßnahme seit der Wende" ein Albtraum. Mehr über das Wer, Wie, Was und Wann - aber auch das Warum und Wohin...

Fotomontage: www.postr.hu

Zur Orientierung: In einem ersten Forex-Gesetz wurden die Banken zur Rückzahlung von "unfair erhobenen Belastungen aus einseitigen Vertragsänderungen" verpflichtet. Mehr zu Forex 1. Im Nachfolgenden geht es um die Umwandlung der Forex- in Forintkredite: Forex 2.

Die wichtigsten Bestimmungen des Gesetzes Forex 2:

- Die Umwandlung gilt für alle auf Devisen lautenden, aber in Forint ausgezahlten Hypotheken- und Konsumentenkredite sowie Leasingvereinbarungen sowie reine Deivesenkredite, die ab dem 1. Mai 2004 bis einschließlich 19. Juli 2014 geschlossen wurden.

- Stichtag für die Konvertierung ist der 1. Februar 2015, im Anschluss erhalten alle Kunden bis spätestens Ende April 2015 eine Neuafstellung ihrer Kreditschuld, der monatlich fälligen Zinsen und der aktuellen Tilgunsrate übermittelt, - gleichzeitig mit der Information über die Kompensationszahlungen bzw. -gutschriften für "unfaire, einseitige Vertragsänderungen". Einen Tag nach Empfang der offiziellen Mitteilung tritt diese auf dem Kundenkonto in Kraft.

- Der Umtauschkurs beträgt 308,97 Forint je Euro sowie 256,47 Forint je Schweizer Franken. Der Basiszinssatz wird am 3monatigen BUBOR, also der Budapester Interbanken Marke orientiert, der zur Zeit bei 2,1% steht. Der den Banken erlaubte Zinsaufschlag wird bei Krediten für den Bau von Wohneigentum bei 5,5 Prozentpunkten gedeckelt, für Hypotheken bei 7,5 Prozentpunkten (auf den Basiszins). Liegt er derzeit darunter, hat er unverändert zu bleiben. Der Zinssatz darf also nach der Konvertzierung nicht höher sein als davor. Sollte die Bank eine Bearbeitungsgebühr im Rahmen ihres Kredites erheben, ist diese in die Gesamtbelastung einzurechnen und ggf. zu reduzieren, um die Obergrenzen einzuhalten.

- Zins(aufschlag)erhöhungen für Wohnbau- und Hypothekenkredite dürfen nur noch wie folgt vorgenommen werden: alle fünf Jahre für Kredite mit einer Laufzeit von mehr als 16 Jahren, alle 4 Jahre für Kredite mit einer Laufzeit von 9 bis 16 Jahren, alle drei Jahre für Kredite mit einer Laufzeit von 3 bis 9 Jahren. Zinsaufschlagsraten düfen nur im Rahmen der von der Nationalbank genehmigten Indikatoren angehoben werden. Bearbeitungsgebühren dürfen erstmals per 1.4.2016 angepasst werden und dann jeweils nur um die offizielle Inflationsrate (KSH) für das Vorjahr. Auch hier gilt, dass die von der MNB gestellte zulässige Obergrenze für Basisrate + Zinsaufschlag nicht überschritten werden darf. Für andere Kreditarten gelten andere Regelungen.

- Wer seinen Forexkredit nicht umtauschen will, muss das seiner Bank binnen 30 Tagen nach Erhalt der Konvertierungsinformation melden. Die Bank hat dann 30 Tage Zeit, zu prüfen, ob die Bedingungen für eine Ausnahme gegeben sind. Dazu darf die monatliche Rate nicht 10% des monatlichen Einkommens übersteigen, muss der Kreditnehmer ein regelmäßiges Deviseneinkommen mindestens in der Höhe der monatlichen Rate vorweisen oder der betreffende Kredit läuft vor dem 31.12.2015 aus.

- Wer mit den genannten Bedingungen bei der Konvertierung nicht einverstanden ist, hat das Recht seinen Kredit zu kündigen, der dann entweder auf einmal fällig wird oder durch einen neuen Kreditvertrag abgelöst werden kann. Für die Neuvergabe von Forex-Krediten gelten die gleichen Bestimmungen wie im vorherigen Punkt beschrieben.

- Die Maßgabe der einschlägigen gerichtlichen Grundsatzsentscheidungen, auf denen das obige Gesetz fußt ist, dass Inhaber von originalen Forintkrediten am Ende nicht schlechter gestellt sein sollen als Inhaber von umgewandelten Krediten, womit die obigen Bedingungen für Obergrenzen in dem noch folgenden Gesetz über "faires Banking" verankert werden müssten. Das Verfassungsgericht hat dafür die Grundlage geschaffen, in dem es kürzlich Forex 1 für
verfassungsgemäß erklärte.

UPDATE, 21.11.:

Fidesz-Fraktionschef Rogán hat einige Änderungen am von der Regierung eingebrachten Forex-Umtauschgesetz gefordert. Ein Spektakel, das die besondere Anwaltschaft der Partei für die Belange des kleinen Mannes demonstrieren soll, denn üblicherweise marschieren Partei und Regierung im Gleichschritt. Danach sollen die maximal zulässigen Zinsaufschläge für Hausbau- bzw. Hypothekenkredite um je 100 Basispunkte gesenkt werden und damit höchsten 4,5 bzw. 6,5% Prozent (auf den BUBOR-Satz, derzeit 2,1%) betragen dürfen.

Auch das, natürlich unter Fidesz-Mehrheit stehende, "parlamentarische Gesetzgebungskomitee" hat seinen Beitrag zur Komödie der "demokratischen Konsensfindung" beizutragen und schlug vor, nicht nur - wie im Originalentwurf vorgesehen - Kredite, die bis Ende 2015 auslaufen, auf Wunsch des Kreditnehmers von der Umtauschpflicht auszunehmen, sondern Kredite, die bis 2020 auslaufen.
/ UPDATE

 

Was spart der Kreditnehmer? Wem hilft das Gesetz?

 

Den Schuldnern (es geht um rund 800.000 Familien, Schulden von rund 27 Mrd. EUR (30% des BIP), von denen rund ein Viertel als "faul" (non performing) gelten) werden die Banken in Summe rund 3 Milliarden Euro als nachträglich gesetzlich für "unfair" erkannte Gebühren und Belastungen aus "einseitigen Vertragsänderungen" gutschreiben (Forex 1), was rund 20% der Gesamtschuld bedeutet.

Durch die Zinsdeckelungen ersparen sich die Schuldner weitere rund 300 Mio. Euro. Der Umtausch selbst ist für die Kreditnehmer kein Geschäft, da er zum fixierten Marktkurs von Anfang November durchgeführt wird und nicht - wie viele gehofft und gefordert hatten - zu einem bevorzugten Wechselkurs.

Steht der Forint bis Februar 2015 weiterhin stärker als 309 gegenüber dem Euro (im Moment tut er das mit Kursen um 306), zahlt der Kunde wieder etwas drauf. Die Raten der meisten Forex-Kredite haben sich seit 2004 deutlich erhöht, manche sogar mehr als verdoppelt, einige sogar verdreifacht. Dieses Risiko entfällt jetzt - aber nur für die Zukunft. Und das ist auch die wichtigste Errungenschaft des Gesetzes.

Welche Auswirkungen in Ökonomie und Politik hat das Gesetz?

Die ökonomischen wie politischen Auswirkungen dieser Maßnahmen sind vielfältig und komplex. Sie betreffen u.a. die künftige Kreditbereitschaft der Banken und damit auch die Investitionen ebenso wie die rechtliche Verlässlichkeit von Regierungspolitik als Signal an externe Geldgeber, von denen Ungarn immer noch (und wieder mehr) abhängig ist.

Immerhin ist die Gesetzgebung retroaktiv und greift - auch wenn es hier "nur" die bösen Banken betrifft - ziemlich offensiv in Eigentums- und Vertragsrechte ein. Orbán wandte solche Praktiken auch mehrmals schon gegen das eigene Volk an (private Rentenbeiträge, Einverleibung der Spargenossenschaften durch Fidesz-nahe Kreise)

Orbán tut dies auch, um möglichst Dreiviertel (man hat die Ziele höher gesteckt) des Bankenmarktes unter "ungarische Kontrolle" zu bringen. Nicht aber, um sie zu verstaatlichen, sondern sie anschließend "ungarischen Geschäftsleuten zugänglich zu machen." wie er vergangenen Freitag wieder öffentlich im Rundfunk erklärte. Minister und Nationalbankchefs äußerten, dass von den acht aktiven Großbanken in Ungarn am Ende nur vier bis fünf bleiben werden. Ein Gewinn? Oder weniger Wettbewerb und beschränkte Kapitalquellen?

Die Nationalbank hat rund ein Drittel ihrer Devisenerserven für die Umtauschaktion aufgelöst (für Forint an die Banken verkauft), auch das verringert Gläubiger- also Geldgebervertrauen. Finanzminister Varga rechnet perspektivisch mit einem noch schwächeren Forint, Analysten setzten Kursziele jenseit der 320er Marke. Damit erhöht sich die auf Devisen lautende Staatsschuld, denn das Schuldenamt Orbáns nimmt sich das Recht, sozusagen Forex-Kredite in Form von Staatsanleihen weiterhin aufzunehmen, einschließlich der Risiken.

Für die direkt Betroffenen ergibt sich zunächst eine relative Entlastung. Der Staat hofft auf eine Ankurbelung des Konsums und damit sprudelnde Verbrauchsseteuern. Eine dadurch wieder erhöhte Inflationsrate führt jedoch mittelfristig auch zu höheren Zinsen.

Überfälliges und Unnötiges

Die Auswirkungen der beiden Forex-Gesetze können also als temporär befriedend beschrieben werden. Eine Eingrenzung des gesellschaftlich nicht mehr tragbaren Risikos der fortschreitenden Überschuldung durch unkalkulierbare Wechselkursrisiken war geboten und hätte eigentlich längst umgesetzt gehört, wenn eine derartige Regulierung nicht schon ohnehin vor Einführung der Möglichkeit von Forex-Krediten verpflichtend sein müsste.

Allerdings sollte man nicht außer Acht lassen, dass die Maßnahmen der Regierung Orbán und die Äußerungen ihrer Protagonisten (wir erinnern nur an "Matman" Matolcsy) einen großen Anteil an den Kursverfällen der vergangenen Jahre hatten. Das Gesetz schützt die Schuldner also in gewisser Weise auch vor der Präpotenz seiner Erschaffer...

Dass Orbán den Stichtag 1.5.2004 (Tag des EU-Beitritts Ungarns) ins Gesetz schreiben ließ, ist indes nicht weiter eine seiner üblichen, verlogenen Demagogien. Er impliziert damit, dass die EU den Ungarn all die Schulden und gierigen Banken eingebrockt hat. Dabei hieß der Ministerpräsident des Landes zwischen 1998 und 2002 - als die meisten der Beitrittskapitel, vor allem jene zum Bankenmarkt und freien Kapitalfluss verhandelt wurden wie? Richtig. Viktor Orbán.

Wem hilft es nicht?

Allerdings ist das Problem der Überschuldung mit Forex 1 und 2 keineswegs beseitigt, nicht einmal eingedämmt: Schuldner, die heute ihre Raten nicht bedienen können, können es nach der Konvertierung kaum besser. Milliardennotprogramme für von Zwangsräumung Bedrohte wurden im Haushalt 2015
einfach gestrichen, was die soziale Spaltung des Landes vorantreibt und die Verelendung der ärmsten Schichten zementiert. Gleichzeitig entfallen Moratorien gegen Zwangsräumung, steigt die Nationalbank selbst mit einer Bad Bank in den Handel und die Vermittlung mit notleidenden Immobilien ein, - entsprechende Streuverluste sind Teil des Plans.

 

So lange die Chancen auf die Erlangung eines ausreichendes Einkommens für das "untere Drittel" (laut Eurostat offiziell 33,5%), aber auch die Mehrheit der Gesellschaft nicht nur nicht gegeben sind, sondern durch Klientel- und Klassenpolitik weiter vermindert werden (Ausbau steuerfinanzierter, perspektivloser Billigstarbeit bei gleichzeitigem Abbau von Bildungschancen, exzessive Besteuerung des Lebensnotwendigen, massive Steuerentlastung für Kaptial und Besserverdiener) schreitet die Verarmung Ungarns fort.

Fazit: So ist dieses Gesetz in Summe als eine notwendige und richtige Korrektur und Erhöhung der Kontrolle über den Bankensektor zu begrüßen. Seine Umsetzung aber ist durch die konfrontative Politik gegenüber Banken (hinter der eigene macht- und finanzpolitische Interessen der Regierungspartei stehen) und Investoren, rechtsstaatlich bedenkliche Schritte sowie die Übergehung der sozial Schwächsten riskant, gefährlich bzw. unvollständig und letztlich eine weitere Manifestation des autoritären Ständestaates, den Orbán seit 2010 konsequent errichtet.

red. / m.s.

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