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(c) Pester Lloyd / 50 - 2016    GESELLSCHAFT     14.12.2016

Maulkorb für Medien: Ungarns Verfassungsgericht macht aus Nazis brave Bürger

Das ungarische Verfassungsgericht hat es Medien untersagt, die neonazistische Partei Jobbik im Rahmen ihrer Berichterstattung als "rechtsradikal", "rechtsextrem" - oder gar als neonazistisch - zu bezeichnen. Die Titulierung sei eine Meinung und kein Fakt und daher laut Mediengesetz nicht zugelassen. Jobbik lieferte zwar diese Fakten, aber Orbáns Zensur ist stärker als Orbán selbst.

Zensur der Zensur

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Das Urteil beruft sich, wie es sich für ein unabhängiges Gericht gehört, allein auf die Gesetzeslage. Das Mediengesetz, das als sogenanntes Kardinalsgesetz Teil des ungarischen Grundgesetzes ist, verlangt auch von privaten Medienanbietern eine "ausgewogene Berichterstattung", sofern es sich um Nachrichtenformate handelt. Das bestimmt der Artikel 13,
hier mehr dazu.

Geklagt hatte Jobbik gegen den privaten TV-Kanal ATV, dessen Anchorman in den Nachrichten immer wieder den Begriff "rechtsextrem" bzw. "rechtsradikal" für die Jobbik verwendet hat. Zunächst untersagte, bereits 2013, der Medienrat die Bezeichnung von Nazis als Nazis, was ein Gericht bestätigte, eine zweite Instanz jedoch aufhob. Jobbik klagte weiter und gewann in der Folge. Auch die Kurie, Ungarns Oberster Gerichtshof, gab Jobbiks Klage statt. ATV focht alle Urteile an, bis hinauf zum Verfassungsgericht, das nun das Mediengesetz über die Pressefreiheit stellte. Zwar dürfe man die Titulierungen im Rahmen der Meinungsfreiheit verwenden, nicht aber im Zusammenhang mit Nachrichten, da es sich "um eine Meinung, nicht um Fakten" handelt.

Jobbik - Paradebeispiel einer rechtsextremen, neonazistischen, rassistischen Partei

Vertreter, darunter auch Abgeordnete der Partei Jobbik, die sich als "Bewegung für ein besseres Ungarn" betitelt und seit einiger Zeit ein bürgerliches Auftreten verschrieben hat, haben in etlichen Aktionen und Wortmeldungen ihre neonazistische, revanchistische und menschenverachtende Position deutlich gemacht, die sie eindeutig als "rechtsextrem" (dis)qualifiziert.

50jobbikkarolyiSei es, dass man Denkmäler ungarisch-jüdischer Prominenter mit Kippa und Schildern wie zu SS-Zeiten verunglimpfte, die Roma als Untermenschen darstellt, Zwangskastrationen für Roma-Mütter, die Registrierung von jüdischen Abgeordneten fordert, bei Gründung und Aktiviäten der militanten "Garden" maßgeblich beteiligt war, sich in Programmatik, Wortwahl und äußeren Symbolen bei den faschistischen Pfeilkreuzlern bedient, offenen Revanchismus gegenüber den Nachbarländern betreibt. (
Ein Profil der Partei hier)

Im Parteiprogramm, das den Richtern, wie man der Urteilsbegründung entnehmen kann, bequemerweise als exklusive Entscheidungsgrundlage diente, liest sich das alles natürlich deutlich harmloser. Da wird von "Schutz unserer nationalen Traditionen und der Weitergabe unseres kulturellen Erbes an die nächsten Generationen" gesäuselt und sogar von "der Vertretung universeller, humanistischer Werte, die in allen Kulturen und Religionen verankert sind", geschrieben. Die Todesstrafe gehört für Jobbik offenbar auch zu diesen Werten, ebenso wie Arbeitslager und Zwangsadaptionen für Roma bzw. deren Kinder.

Jobbik erreichte bei den Wahlen 2014 20,5% der Stimmen und landete damals auf Platz 3, hinter Fidesz und MSZP. In akutellen Umfragen liegt man auf dem zweiten Platz.

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Von der gelenkten Opposition zum neuen Feind Nr. 1

In letzter Zeit verschärften sich die Spannungen zur rechtspopulistischen Fidesz, da Jobbik der Regierungspartei bei einer für Orbán wichtigen Verfassungsänderung
die Zustimmung versagte und immer lauter die Machtfrage stellte. Jobbik lief Gefahr an Wählergunst einzubüßen, vor allem, da Orbán immer mehr Forderungen von Jobbik als seine eigene Politik verkaufte und umsetze und selbst in der Rhetorik gegen Flüchtlinge die Neonazis im Schafspelz zuweilen rechts überholte.

 

Der Machtkampf zwischen den beiden rechtsradikalen bzw. -extremen Parteien artete in regelrechte Schlammschlachten aus und beendet die Phase, in denen Fidesz die Jobbik als Protestwählerschwamm auf der rechten Gesinnungsseite ganz recht war, um ein Erstarken der demokratischen Opposition, die eher links tendiert, zu verhindern. Durch eine gezielte Spaltung und gleichmäßige Verteilung des oppositionellen Wählerpotentials ging sich eine Entmachtung des Fidesz, so die Partei bei rund 35%+ bleibt, numerisch nicht aus.

Im Lichte dieses Machtkampfes käme Orbán eigentlich entgegen, wenn das Höchstgericht die radikale bzw. extreme Natur des lästig gewordenen Verbündeten herausstellte. Doch sein eigenes Mediengesetz wirkt in diesem Falle gegen ihn, ein weiterer Beleg, dass Zensur am Ende auf seinen Urheber zurückfällt, sich die Zensur sozusagen selbst zensiert, weil sie die Wahrheit aus Prinzip nicht zulassen darf.

Ein interessanter Vortrag von Maurus Jókai über
"Presse und Zensur in Ungarn" aus dem Pester Lloyd des Jahres 1866

red.

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