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(c) Pester Lloyd / 16 - 2017    WIRTSCHAFT      22.04.2017

Deal unter Europafeinden: Ungarn fällt der EU beim Brexit in den Rücken

Eigentlich wollte die EU beim Brexit mit einer Stimme sprechen und klare Kante zeigen. Doch Ungarn schert schon wieder aus. Orbán will dafür sorgen, dass die Briten ein umfassendes Freihandelsabkommen mit der EU bekommen, dafür darf das Heer ungarischer Gastarbeiter auf der Insel bleiben. Platzt dieser Deal, verliert Ungarn 4-5% seines BIP und sieht sich womöglich mit Zigtausenden arbeitslosen Rückkehrern konfrontiert. Ungarn könnte vielleicht die Spanier um Hilfe bitten...

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Die EU-Spitzen waren sich - selten genug - einig, dass der Brexit nicht bedeuten wird, dass Großbritannien sich von allen Verpflichtungen der Gemeinschaft befreien kann, deren Vorzüge, allen voran der Binnenmarkt und die Freizügigkeit, aber behalten kann. Im Gegenteil, der Brexit soll ein generalpräventives Exempel statuieren, das demonstriert, dass die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft klare, wenn nicht sogar essentielle Vorteile gegenüber der Kleinstaaterei bedeutet. Der Brexit als Chance, die Reihen der EU fester zu schließen, die Identitätskrise zu überwinden.

So will man den Briten in den zweijährigen Verhandlungen zwar fair begegnen, Zugeständnisse beim Marktzugang aber u.a. vom Umgang mit den auf der Insel tätigen und lebenden EU-Bürgern abhängig machen. Außerdem wird eine zweistellige Milliardensumme für die Abfindung akuteller EU-Projekte fällig. Der Binnenmarkt ist also ein wertvolles Faustpfand, das die EU mit einer Stimme verteidigen will. Ist der Brexit dann vollzogen, käme die Phase bilateraler Verhandlungen zwischen dem (bis dahin womöglich gar nicht mehr so) Vereinigten Königreich und den einzelnen EU-Staaten. Läuft alles gut, könnten die Briten einen Status wie die Schweiz erreichen.

Ungarn schießt wieder einmal quer und versucht die EU-Strategie hinsichtlich des Brexit durch voreilige Zugeständnisse aus egoistischen Überlegungen bzw. Ängsten zu torperdieren. Die EU sollte "ein möglichst umfassendes, so weit wie möglich reichendes Freihandelsabkommen mit Großbritannien" schließen, verlangte Außenminister Péter Szijjárto dieser Tage in Budapest bei einem Treffen mit dem für den Brexit zuständigen Staatssekretär David Davis. Auch sollten die Briten "Teil des europäischen Sicherheits- und Verteidigungssystems" bleiben. Nur so wäre ein "faires Brexit-Abkommen" möglich.

Orbán hatte diese vorauseilende Dienstfertigkeit bereits im November gegenüber Premierministerin May an den Tag gelegt,
der er seine Aufwartung machte, um - so glaubt er zumindest - Ungarn einen Vorteil, z.B. gegenüber Polen oder Rumänien zu verschaffen. Mehr dazu in "Out means out, Osteuropas Angst vor dem Brexit"

Die EU sollte auch über einen Hunxit nachdenken

Ungarn bedauere das Ausscheiden der Briten aus der EU, respektiere und verstehe die Entscheidung aber, so der Außenminister. Tatsächlich bejubelte die Orbán-Fraktion den Brexit als vermeintliche Schwächung der EU, eine Gelegenheit, bei der man die "strukturellen Änderungen" umsetzen könnte, mit der man die Macht der Kommission schwächen will. Das "Europa der Nationen" bedeutet für Orbán nichts weiter, möglichst wenig Regeln beachten zu müssen, ohne auch nur einen Cent Förderungen zu verlieren. Mehr dazu in: Abschottung und Nationalismus:
Orbáns Pläne für Europa.  Alles, was diesen Überlegungen entgegensteht, also der Geist der Gemeinschaft, wird als "Doppelstandard" bezeichnet, als "Angriff auf Ungarn", daher müsse man “Brüssel stoppen!” wie es überall im Lande plakatiert wird.

Um den Druck auf die "Brüsseler Bürokraten" dahingehend hoch zu halten, spielt man mit dem Feuer und paktiert mit allen Teufeln. Man belehrt die EU darüber, dass sie gefälligst
Erdogan in Ruhe zu lassen habe, damit dieser nicht "Millionen von Flüchtlingen auf den Balkan hetzt", bejubelt die "neue Weltordnung" des Donald Trump, legt sich mit Putin ins Bett, um an alternative Finanzquellen zu gelangen und spielt den Parias bei den anstehenden Brexit-Verhandlungen. Summiert man zu diesen feindlichen Akten den Demokratie- und Rechtsstaatsabbau, den Orbán in seinem völkischen Mafiastaat abzieht sowie den bis dato ungestraften, milliardenschweren Betrug an EU-Geldern, sollte sich die EU eigentlich auch gleich um einen Hunxit bemühen, zum Besten Europas.

Ungarn hat bei den anstehenden Verhandlungen beim Brexit drei große Ängste.

1. Durch das Fehlen der britischen Einzahlungen ins EU-Budget könnte Ungarn schon 2019 bis zu 1,5 Milliarden Euro weniger aus den Brüssler T(r)öpfen erhalten, an denen das Land bekanntlich hängt. Ein absoluter Albtraum, weil so nicht nur die öffentlichen Investitionen, die fast zur Gänze aus Brüssel finanziert werden, massiv schrumpfen, sondern auch die "Umwegrentabilität" leidet, schließlich finanzieren sich weite Teile des Günstlings-Netzwerkes der Orbán-Nomenklatura aus EU-Mitteln.

2. Was geschieht mit den britischen Investoren in Ungarn, Großbritannien liegt mit ca. 5% Anteil regelmäßig auf dem fünften Rang der Direktinvestionen, beschäftigt einige Zehntausend Menschen in Ungarn, das bedeutet in Summe ein weiteres Prozentchen des BIP. Entfallen die Freiheiten der Kapital-, Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheiten des Binnenmarktes, könnten nicht nur zukünftige Investitionen für die Briten in Ungarn unattraktiv werden, auch bestehende Produzenten und Dienstleister könnten ihre Strategien zum Nachteil Ungarns überdenken.

3. Die dritte Befürchtung: Bis zu 250.000 (Szijjartó spricht von 40.000 bis 200.000, hat also gar keine Ahnung, wie viele es wirklich sind) in Großbritannien arbeitende Ungarn überweisen jährlich fast 2 Milliarden Euro an ihre Familien in Ungarn. Werden diese von den Briten aus dem Land geschickt, fehlt nicht nur dieses Geld, immerhin fast 2% des BIP, sondern handelt sich Orbán Zigtausende gut ausgebildete, wütende Arbeitslose ein, die durchaus seine Macht gefährden könnten. Offiziell fleht man zwar um deren Rückkehr, doch man ist sich durchaus ob des sozial-ökonomischen Sprengstoffs bewußt, den die Rückkehr bewirken könnte. Mehr dazu hier:
Humankapital auf der Flucht.

 

Zwar herrscht in Ungarn in vielen Branchen mittlerweile akuter Fachkräftemangel, doch selbst die forcierten Lohnerhöhungen der letzten Monate ändern nichts daran, dass Hunderttausende ihr Heil im Westen suchen, weil die Löhne - und vor allem auch die sonstigen Arbeitsbedingungen - nicht für ein würdiges Dasein genügen. Entgegen der Regierungspropaganda, die geradezu von einem Arbeiterparadies palavert, sieht die Realität in Ungarn nämlich - außerhalb der getürkten Statistiken - deutlich trister aus als vor Orbáns Amtsantritt. Mehr dazu in: Unser kläglich Brot: Warum die Steuer- und Mindestlohnpolitik in Ungarn asozial ist.

Vielleicht sollte sich Ungarn mit Spanien zusammentun, denn dort wohnen eine halbe Millionen britischer Rentner und genießen, neben der Sonne auch das gesetzliche Gesundheitssystem - ohne jeden Aufpreis. Droht man diesen mit Ärger im Paradies in Form von Zusatzsteuern auf ihre Immobilien und teuren privaten Krankenversicherungen, könnten sich die englischen Rentner sehr bald für die Rechte ungarischer Arbeitnehmer in Großbritannien einsetzen, was nicht einer gewissen Ironie entbehhrt, waren es doch vor allem die alten Leute, die für den Brexit stimmten.

Großbritannien steht vor Neuwahlen, das Land könnte danach eine völlig neue Richtung einnehmen, eine erneute Volksabstimmung abhalten und demütig in die Arme der zuvor so verfluchtne Gemeinschaft zurückkehren.

red.


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