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(c) Pester Lloyd / 27 - 2019   POLITIK       01.07.2019


Der Katzenjammer der Opportunisten: Ungarns Akademie der Wissenschaften wird ausgeweidet

Sie hätten es ahnen können. Nun wissen sie es. Die Ungarische Akademie der Wissenschaften (MTA) ist die nächste (und eine der letzten) große Institution, die dem Orbán-System unterworfen wird. 15 der wichtigsten Forschungsinstitute werden ab 1. September per Gesetz einer Stiftung unterstellt, die von Orbán-Leuten kontrolliert wird.

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Damit kann die Politik dann direkt bestimmen, wer gefördert wird und in welche Richtung überhaupt noch geforscht wird. Selbst die gesamte Struktur der MTA stehe nun zur Disposition. Die MTA warnt ihrerseits vor einer Flucht von Wissenschaftlern ins Ausland, - die "Stimmung sei höchst angespannt" - und einem Verlust des Prestiges des Forschungsstandortes und der altehrwürdigen Institution. Aus dem EU-Ausland kommen Solidaritätsbekundungen, auch von der EU-Kommission waren Hinweise auf die Bedeutung der Freiheit der Wissenschaft zu vernehmen.

Im Umfeld der Gesetzesinitiative gab es mehrere Protestkundgebungen, die aber keine Massenbewegung in Gang setzten.

Dass die MTA erst jetzt, fast zehn Jahre nach Installation des Orbán-Regimes, ins Fadenkreuz geriet, hat vor allem mit ihrem unendlichen Opportunismus zu tun. Die MTA war in der Nachwendezeit praktisch immer eine Hochburg des Konservativismus, beherrscht von Naturwissenschaftlern, deren Aktivitäten wenig Empathie mit den gesellschaftlichen Entwicklungen aufwiesen. Es waren international anerkannte Fachleute am Werk, die vor allem darauf achteten, dass ihre Firschungsgebiete gut dotiert waren und die MTA ihren Nimbus der Weisheit und Gesetztheit behielt.

Ausnahme waren Institute der Gesellschaftswissenschaften, die aber bereits vor Jahren gegängelt, um Gelder gekürzt und umgestaltet wurden. Der Rest der ehrwürdigen Akademiker schwieg.

Die Grundschulen, Kindergärten, die Unis, die Gymnasien mitsamt ihrer Lehrerschaft wurden
staatlich konzentriert und einem unsäglichen Aufsichts- und Denunziationssystem unterstellt, völkische Lehrpläne eingeführt, samt religiös-fanatischen Elementen, Wehrsport, Orbán-Huldigung bei Fahnenapellen, amtlicher Segregation der Roma. Knebelverträge über Studentenkredite trieben Legionen von Studenten ins Ausland, die CEU wurde nach Wien gemobbt, kurz: Das Bildungssystem wurde gleichgeschaltet. Die Akademie schwieg. Museen, Bibliotheken, Zivilgesellschaft - unterworfen, ausgehungert. Die Akademie schwieg. Ein Schweigen aus Angst um die eigenen Pfründe, vielleicht berechtigt, aber feige. Und unnütz.

Dass die MTA nun ausgeweidet wird, ist in einer Autokratie nur ein logischer Schritt, denn Orbán hat weder Respekt vor der Freiheit (der Wissenschaft), noch vor ihren Institutionen, seine Mannschaft ist in weiten Teilen bildungsfeindlich, ein mafiöser Geldadel, der sich nun auch dieser Quelle bedient. Mehr nicht. Die Akademiker ernten nun den Lohn ihrer Passivität (bitte: von Ausnahmen abgesehen, die sich immer öffentlich kritisch geäußert haben, aber stets eine Randgruppe blieben). Nun entdecken die Damen und (meist) Herren Akademiker den Wert von Demokratie und Freiheit. Wenn sie nicht mehr da ist und auch keine Strukturen, die zu ihrer Unterstützung eingreifen könnten.

Ihren Dünkel trugen sie bis zuletzt vor sich her. Auf ihren Demos hielten sie Transparente mit der Forderung nach "Akademischer Freiheit" hoch. So als gäbe es die ohne allgemeine Freiheit. Die Professoren müssen noch viel lernen. Eine Betroffene schrieb unserer Redaktion, wir müssten doch viel mehr darüber berichten, es ginge doch "jetzt" um Ungarns Zukunft. Ach ja, Frau Professor? Jetzt?

red. / m.s.

 




 

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