Ein traditionsreiches Kinder- und Jugendtheater gerät ins Visier der Kulturpolitik – und verliert seine Belegschaft.
Das Budapester Kolibri Gyermek- és Ifjúsági Színház, seit Jahrzehnten eine feste Größe im ungarischen Kinder- und Jugendtheater, steht vor dem Ende. Die Ernennung von János Zalán zum neuen Intendanten durch Kulturminister Balázs Hankó hat eine Welle der Empörung ausgelöst. Trotz massiver Proteste aus der Fachwelt und der Belegschaft wurde Zalán eingesetzt, was zu einem Exodus von über 40 Mitarbeitenden führte, darunter Schauspieler, Regisseure und technisches Personal.
Fidesz Kultur statt künstlerische Autonomie
Zaláns Ernennung erfolgte gegen den ausdrücklichen Willen der Theatergemeinschaft. Bei einer internen Abstimmung erhielt er lediglich eine Stimme, während der langjährige Regisseur György Vidovszky 51 Stimmen auf sich vereinen konnte. Dennoch entschied sich das Ministerium für Zalán, der zuvor das Pesti Magyar Színház leitete – eine Institution, die derzeit aufgrund mutmaßlicher Unregelmäßigkeiten während seiner Amtszeit unter behördlicher Untersuchung steht.
Minister Hankó verteidigte die Entscheidung und betonte, dass er Zaláns „nationale strategische Ideen“ unterstütze und „die Brüsseler Mainstream-Ideologie“ nicht in das Kindertheater eindringen lassen werde. Kulturkampf im Kinderzimmer.
Massenflucht der Belegschaft
Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Über 40 Mitarbeitende kündigten ihre Stellen. Darunter befinden sich prominente Namen wie Regisseur György Vidovszky, Bühnenbildnerin Klaudia Orosz sowie zahlreiche Schauspieler und Mitglieder des pädagogischen Teams. Vidovszky kommentierte den Abschied auf Facebook mit den Worten: „Es ist nicht gut zu wissen, dass in meinem ‚Zuhause‘ Fremde umhergehen.“
Kritik aus der Fachwelt
Die ungarische Theatergesellschaft Magyar Színházi Társaság veröffentlichte einen offenen Brief, in dem sie die Entscheidung des Ministers scharf kritisierte und den Bürgermeister von Budapest, Gergely Karácsony, aufforderte, Maßnahmen zu ergreifen. Sie betonte, dass die Eigentumsrechte am Theater bei der Stadt liegen und forderte eine Rückkehr zu professionellen Standards.
Auch andere Theaterleiter und Künstler, darunter Mitglieder des Drámaíró Kerekasztal, äußerten ihre Besorgnis über die Entwicklungen. Die breite Solidarität zeigt, dass es hier nicht nur um eine Personalentscheidung geht, sondern um die Grundwerte der ungarischen Theaterlandschaft.
Die Einmischung der Regierung in künstlerische Belange und die Missachtung professioneller Standards zerstört systematisch die Integrität und Vielfalt der Kulturszene. Budapest wehrt sich, wie immer – bis zur Wahl sind wohl aber ob der Zuständigkeit die Hände gebunden.
Zitate
„Es ist nicht gut zu wissen, dass in meinem ‚Zuhause‘ Fremde umhergehen.“ – György Vidovszky, ehemaliger Regisseur des Kolibri-Theaters
„Wir stehen auf, um das Kolibri-Theater zu verteidigen.“ – Offener Brief der ungarischen Theatergesellschaft
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