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(c) Pester Lloyd / 31 - 2012     POLITIK 01.08.2012

 

Halbjuden und Halbasiaten

Die politische Woche in Ungarn

Premier Orbán beginnt bald seinen Urlaub. Das war auch dringend nötig, denn seine letzten Wortspenden weisen Anzeichen besonders grober intellektueller Ermüdung auf. Was sonst noch geschah: ein Neonazi wird wegen seiner jüdischen Oma gemobbt, ein Altnazi verschimmelt in ungarischen Amtsmühlen, in Kaposvár wurde der jüdische Friedhof geschändet, ein Grüner macht sich vom Acker und ein Ex-Präsident zieht aus seinem Anwesen aus. Mitglieder der Regierungspartei wollen die Todesstrafe einführen, Kinder sollen ab drei Jahren zwangsweise in den Kindergarten und Fidesz bleibt knapp auf Platz 1 in der Gunst der Handvoll, die wählen gehen würde.

“Nur das Volk!”, aber welches ist auserwählt? Csanád Szegedi bei einer seiner letzten Reden als Jobbik-Propagandist. Seine jüdische Großmutter machte ihn zum “Unabhängigen” im EU-Parlament.

Orbán zur möglicherweise "notwendigen" Abschaffung der Demokratie in Ungarn

“Wir hoffen, Gott hilft uns dabei, dass wir uns nicht anstelle der Demokratie andere politische Systeme ausdenken müssen, die wir dann im Interesse des wirtschaftlichen Überlebens einzuführen haben.” Dies sagte Premier Viktor Orbán Ende Juli auf einer Versammlung des Landesverbandes der Arbeitgeber. Weiter führte er dort aus, dass "nationaler Zusammenhalt" bei anderen Völkern eine Frage des Willens sein könne, nicht aber bei einem "halbasiatischen Volk, wie dem unseren", dort bedarf es "der Kraft" (auch Macht). Mehr zu den skurrilen Ausführungen des ungarischen Regierungschefs im Beitrag des Blogs Pusztaranger. Mehr zur neuen “Abstammungslehre” bzw. Rassentheologie in: Die wilden Reiter von Absurdistan. Mehr zu Orbáns überfälligem Urlaub hier.

Jobbik mobbt jüdischen Nazi aus seinen Ämtern

Es ist der Supergau für jeden aufrechten Nazi: eine jüdische Großmutter. Genau dieser Albtraum ereilte nun den ungarischen EU-Abgeordneten der Partei Jobbik, Csanád Szegedi, der außerdem auch Bezirkschef seiner Partei im Komitat Borsod war, bis er vor wenigen Tagen von diesem Amt zurücktrat. Nun fordert die nationale Führungsspitze der Jobbikpartei auch die Rückgabe des Europamandats, betont dabei aber "dass diese Entscheidung nichts mit den erst kürzlich bekannt gewordenen jüdischen Vorfahren Szegedis zu tun" habe (natürlich nicht!), sondern vielmehr mit der Tatsache, "dass er versucht habe, eine Person zu bestechen, um diesen Tatbestand geheim zu halten." Szegedi bestreitet die Bestechungsvorwürfe, eine Tonbandaufnahme, die diesen beweisen soll, bezeichnet er als Fälschung. In einschlägigen Neonaziblogs wird Szegedi, dem man bis vor kurzem noch bei seinen antisemitischen und rassistischen Reden zujubelte und auch applaudierte als er eine EU-Fahne abfackelte, bereits als Agent des Mossad gehandelt...

Fraktionschef der ungarischen Grünen schmeißt hin

Benedek Jávor, Fraktionschef der grün-liberalen Partei LMP im Parlament, gab bekannt, dass er sich zum Ende des Sommers von diesem Posten zurückziehen möchte. „Das Gremium und die Partei sind so erfolgreich, dass es für mich keinen Grund mehr gibt, weiterzumachen“, erklärte er. Jávor ist binnen eines Jahres bereits der zweite Fraktionschef, der aufgibt, sein Vorgänger András Schiffer ging wegen inhaltlicher und persönlicher Verstimmungen mit anderen Parteimitgliedern.

Beobachter gehen davon aus, dass die LMP vor einer Zerreissprobe steht, denn die Strategie der Äquidistanz zu allen Parteien und damit die Verhinderung jeglicher Allianz der demokratischen Opposition, stößt bei der Basis auf immer mehr Unverständnis. Auch die Einstellung der Ermittlungen gegen Ex-MSZP-Premier Gyurcsány, die auf eine Initiative Jávors und der LMP zurückgingen, ist als Niederlage zu betrachten. Jávor betonte, dass seine Partei die Ermittlungen gegen den ehemaligen Premierminister "aus gutem Grund" hatte einleiten lassen und daher keinen Grund für eine Entschuldigung sähe, auch wenn die Staatsanwaltschaft keine Beweise finden konnte. Die Regierungspartei Fidesz, so Jávor weiter, hatte versprochen, der Korruption ein Ende zu bereiten. Stattdessen hat sie sie institutionalisiert. Auch kündigte er eine "Art von Zusammenarbeit" mit den außerparlamentarischen Bewegungen und Parteien Milla, 4K! und Szolidaritás an.

Ex-Präsident verzichtet auf Staatsanwesen und London-Reise

Ungarns ehemaliger Präsident Pál Schmitt ist aus seiner offiziellen Residenz in Buda ausgezogen. Er verzichtet aus „Respekt vor dem Land und der ökonomischen Situation“ auf die vom Staat finanzierte Dienstwohnung, die ihm als ehemaligem Staatspräsidenten nach seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst lebenslang zustände, samt Chauffeuer, Fahrzeug, Sekretärin und Büro. Schmitt war am 2. April nach wochenlangen Debatten über das Plagiat seiner Doktorarbeit endlich zurückgetreten, gab die Schuld daran aber den Medien und klagte die Uni, die ihm den Titel aberkannte. Bis zu einer gerichtlichen Entscheidung darüber lässt er auch seinen Ehrenvorsitz im Nationalen Olympischen Komitee ruhen und verzichtet damit auf den Besuch der Olympischen Spiele in London.

Verfassungsgericht soll Bildungsreform untersuchen

 

Máté Szabó, der parlamentarische Ombudsmann für Grund- und Menschenrechte, hat am 19. Juli das Verfassungsgericht gebeten, sich das neue Bildungsgesetz, das Anfang 2013 in Kraft treten soll, einmal näher anzuschauen. Seiner Meinung nach verletzt die dort beschlossene „allgemeine Kindergartenpflicht“ für Kinder ab drei Jahren die Rechte derjenigen Eltern, die ihre Kinder zu Hause erziehen möchten. Auch die Zentralisierung des Schulwesens sehe er skeptisch, da der Staat bisher keine Garantien dafür geben könne, das Niveau von kirchlichen oder kommunalen Schulen halten zu können, wenn er diese, im Falle des Scheiterns finanziellen Scheitern der nichtstaatlichen Träger übernehmen müsse. Das Sekretariat für Erziehung wiegelt ab. Es gäbe keinen Grund zur Besorgnis. Szabós Bedenken seien "unbegründet".

Fidesz-Abgeordnete sprechen sich für Einführung der Todesstrafe aus

Die Nachricht über den brutalen Mord an einer fünfundzwanzigjährigen Polizeipsychologin, die vergewaltigt und anschließend erdrosselt wurde, nahm die neofaschistische Partei Jobbik wieder einmal zum Anlass, die Einführung der Todesstrafe in Ungarn zu fordern. Dieser Aufruf ist nicht neu, neu ist jedoch, dass sich diesmal Abgeordnete der Regierungspartei Fidesz dem Aufruf anschlossen. Das News-Portal index.hu zitiert einen Fidesz-Abgeordneten mit den Worten: „Wenn ein Einzelner das Recht hat, sich zu verteidigen, hat der Staat es erst recht. Wir brauchen das nötige Werkzeug, um Menschen auch hinrichten zu können". Bisher lehnte Fidesz eine Debatte darüber mit Verweis auf die EU-Regularien an, die Todesstrafe und Hinrichtungen in der EU verbieten. Allerdings hält sich Ungarn auch in vielen anderen Fragen nicht an EU-Recht, weshalb dies eigentlich kein Hindernis sein dürfte. Angeheizt wird die Debatte weiterhin von dem Umstand, dass man den Tatverdächtigen im o.g. Mordfall der Roma-Minderheit zuordnet.

Wahlumfrage: Rennen um Platz 1 wird knapper

Die Regierungspartei Fidesz, die derzeit mehr als 2/3 der Sitze im Parlament inne hat, bliebe auch nach der aktuellen Umfrage die stärkste parlamentarische Kraft. Insgesamt würde sie heute 33% der Wählerstimmen erhalten (2010 waren es 54%), die "Sozialdemokraten" der MSZP kämen auf 30% (20) und die neofaschistische Jobbik 22% (17). Insgesamt bleiben die Ungarn sehr politikverdrossen, nur 34% der Befragten haben angegeben, sich überhaupt an einer Parlamentswahl beteiligen zu wollen. Eine andere Umfrage sieht den Abstand zwischen Fidesz und MSZP inzwischen wieder bei fast 10 Prozentpunkten, was die Seriosität der Umfragebranche durchaus in Frage stellt. Weitere Umfragedetails.

Csatáry-Auslieferung an die Slowakei nur nach Gerichtsbeschluss

Ungarn erwartet ein richterliches Auslieferungsersuchen aus der Slowakei, bevor der als Kriegsverbrecher verdächtigte László Csatáry ins Nachbarland ausgeliefert werden kann. Man verfahre dabei strikt nach den europäischen Regularien, erklärte dieser Tage das ungarische Justizministerium als Reaktion auf eine Äußerung des slowakischen Justizministers Tomas Borec. Da seit September 2011 in Ungarn selbst auch Ermittlungen gegen Csatáry laufen, die, nachdem eine britische Boulevardzeitung und das Wiesenthal-Zentrum die Sache öffentlich forcierten, intensiviert wurden, kann eine Auslieferung jedoch nicht vor dem Abschluss dieser Ermittlungen verhandelt werden.

Die slowakische Seite hatte Ungarn Dokumente über eine Gerichtsverhandlung und ein Urteil gegen Csatáry aus dem Jahre 1948 zukommen lassen, woraus man einen Auslieferungsanspruch ableiten könne, da ein gültiges Urteil vorliege. Das ungarische Justizministerium wies auch daraufhin, dass ausschließlich das zuständige Gericht in Budapest XIII. dahingehende Beschlüsse fassen könne. Sowohl die Slowakei als auch Ungarn wussten, von Csatáry selbst, spätestens seit 1997 von seiner Absicht einer Rückkehr nach Ungarn, blieben aber untätig, bisher war nicht zu erfahren, warum. Premier Orbán bekannte sich am 23. Juli zur "europäischen Rechtstradition", wonach "Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht verjähren".

Schändung von jüdischem Friedhof

 

In Kaposvár (Südwestungarn) haben Unbekannte vor einigen Tagen einen jüdischen Friedhof verwüstet. Sie drangen in der Nacht ein und stürzten 57 Grabsteine um. Die Polizei ermittelt derzeit gegen Unbekannt, die Täter sind noch auf freiem Fuß. Kaposvárs Bürgermeisterin, Fidesz, äußerte sich entsetzt zu dem Vorfall: „Eine abscheuliche Tat, die zu nichts führt.“ Ministerpräsident Orbán verurteilte die Tat aufs Schärfste und betonte gegenüber dem deutschen Magazin Focus, dass seine Regierung „Null Toleranz" gegenüber antisemitischen bzw. antiziganistischem Denken Denken zeigen würde. Hier mehr dazu, wie die Regierungspartei selbst in den neuen Antisemitismus verstrickt ist.

Kaposvár war kürzlich bereits durch Schmierereien an der örtlichen Synagoge und Mordaufrufe an Häusern der Roma aufgefallen.

red. / E.G.

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