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(c) Pester Lloyd / 36 - 2013   WIRTSCHAFT 03.09.2013

 

Konjunkturmotor Hochwasser?

Die Industrie scheut neue Investitionen in Ungarn

Im zweiten Quartal 2013 gab es 4,6% mehr Investitionen in die und durch die ungarische Ökonomie als im gleichen Vorjahreszeitraum. Die Regierung jubelt sogleich von einer "Höheren Wachstumrate als vor der Krise" und sieht einen weiteren Beleg dafür, dass "Ungarn es besser macht". Doch ein näherer Blick auf die Zahlen zeigt, dass man sich das "Wachstum" schönredet. Niedrige Basiswerte, EU- und steuerfinanzierte Projekte und ein Stand by in den Schlüsselbranchen helfen nur der PR, nicht der Wirtschaft.

Das Statistische Zentralamt vermeldet bei der Investitionstätigkeit einen Volumenzuwachs von 4,6% für Q2/2013 und stellt vor allem die Wachstumsraten bei Investitionen im Baubereich von 5,8% sowie im Maschinen- und Anlagenbau von 2,4% heraus. Erst im letzten Satz der aktuellen Aussendung erfahren wir, dass die sasionale und kalendarische Bereinigung gegenüber dem 1. Quartal einen leichten Rückgang von 0,1% erbrachte, das - infaltionsbereinigt - wiederum 8,7% hinter dem Vorjahreszeitraum lag. Für die Regierung kein Grund von ihrer These abzurücken, dass der Volumenzuwachs der "größte seit der letzten positiven Phase vor der Krise" (gemeint hier 2007) sei.

Der Volumenindex der Investitionen für die letzten zehn Jahre zeigt den Unterschied zwischen Wachstumsrate und Volumen. Der Aufwärtstrend im ersten Halbjahr wird getragen von den zum Ende der Budgetperiode forcierten EU-Projekten. Ob das von MTI hinzuillustrierte zarte Pflänzchen von dem ihm umgebenen Humus gestärkt oder von einem Haufen Mist erstickt wird, muss sich erst noch heraustellen. Zahlen: KSH, Grafik: MTI

Die Jubelschlagzeilen der Regierung werden nicht nur durch das seit Jahren geschrumpfte Volumen relativiert, sondern auch durch andere Fakten: zumindest wenn man das eigentliche Regierungsziel, die Konjunkturbelebung in der freien Wirtschaft als Messlatte anlegt. So konnte der Bereich Verkehr, Transport und Lagerwirtschaft, der immerhin 14% zum BIP beiträgt, mit einem Invest-Plus von 13,2% aufwarten, doch war dieses fast ausschließlich auf EU-finanzierte Straßenprojekte, speziell ein Ausbesserungsprogramm für kleinere Dorf- und Nebenstraßen und einen kleineren Autobahnabschnitt zurückzuführen.

Noch stärker ist die staatliche Investitionsdominanz im Bereich Wasser- und Müllwirtschaft zu ermitteln, der mit atemberaubenden 79,3% wuchs, jedoch praktisch zu 80% wiederum aus EU-finanzierten Staatsaufträgen zum Hochwasserschutz und dem von der EU gefördeten Ausbau des Abwassermanagements besteht. Entsprechend verständlich erscheint die Panik, die die Verantwortlichen erfasste, als Brüssel 13 von 15 Regionalförderprogrammen einfror.

Das immer häufiger auch über Ungarn hereinbrechende Donauhochwasser taugt auch für den Investitionsposten Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, gesetzlicher Zivilschutz, der um 48,8% stieg. Hierin scheinen ebenfalls (die eigentlich unproduktiven) Investitionen in den Deich- und Dammschutz auf, allerdings jene, die nicht an Privatfirmen vergeben, sondern z.B. über die Kommunalen Beschäftigungsprogramme abgwickelt wurden. Auch die Anschaffung neuen IT-Equipments für den berüchtigten Katastrophenschutz des Innenministeriums, der seine Rettungs-SMS ab sofort servergestützt generieren kann sowie die Renovierung von Regierungsgebäuden, die man offenbar als Investition abhaken darf, trägt hier zum Ergebnisplus bei.

Anteilsmäßig kleinere Bereiche wiesen ebenfalls signifkante Wachstumsraten auf, die meist auf einige vereinzelte Großprojekte zurückzuführen sind, wie z.B. das um 80,2% höhere Investitionsvolumen im Bereich Hotelerie und Gastwirtschaft, übrigens im Moment die einzige Wirtschaftsbranche in Ungarn, die tatsächlich von einem Wachstum sprechen kann und wohl ein Rekordjahr erwartet, hier einmal Dank dem andauernd schwachen Forint. Der Tourismus macht ca. 7% der Wirtschaftsleistung aus, ein Staatssekretär visiert bis zu 20% an... Im Bereich Forschung & Wissenschaft wird ein Plus von 55,6% ermittelt, auch dieser wird von staatlichen Aktivitäten getragen, hier z.B. die Finanzierung des neuen Superlasers in Szeged, wiederum querfinanziert von der EU und angeschlossenen Strukturen.

Den leichten Rückgang der Investitionen von 0,5% im Bereich der industriellen Produktion, der immerhin rund ein Viertel der Volkswirtschaftsleistung repräsentiert, erklärt man mit den in den drei Jahren zuvor abgeschlossenen Großinvestitionen (Audi, Mercedes etc.) und der daraus folgenden hohen Berechnungsbasis. Allerdings gab es in der Hälfte aller Unterkategorien, nicht nur beim Automobilbau, Rückgänge. Besonders stark war der Rückgang bei Investitionen in der pharmazeutischen Industrie, bei Fahrzeugteilen, Zunahmen gab es in den Bereichen Gummi, Plastik und nichtmetallischen Mineralien. Bedenkt man, dass die "beste Unternehmenssteuerpolitik" Europas das Land eigentlich dazu führen sollte, "Ungarn zum mitteleuropäischen Produktionszentrum Nr. 1" zu machen, ist bei diesen Schlüsselbranchen noch einige Luft nach oben, wenn die vorlauten politischen Parolen nicht als heiße Luft in Erinnerung bleiben sollen. Der schwache Forint macht es potentiellen einheimischen Investoren jedoch noch schwerer in internationale Hochtechnologie zu investieren, weil sie einfach zu teuer ist.

 

Eine im wahrsten Sinne des Wortes fortlaufende Konsequenz aus den Verstaatlichungsbestrebungen und dem Preisdiktat in der Energiewirtschaft ist der dramatische Rückgang der dortigen Investitionstätigkeit bei E.ON, RWE und Co., der von den betroffenen Konzernen auch unumwunden zugegeben wurde, obwohl gerade im Stromleitungsnetz, aber auch bei der Diversifizierung der Pipelines durchaus Handlungsbedarf, bei ersterem sogar Gefahr im Verzug bestünde: weitere 24,8% gingen bei Strom, Gas, Dampf, Klima die Investitionen zurück und das trotz einiger Großprojekte der MVM und MOL. Die Regierungs-PR wird sich hier schon auf den baldigen Ausbau des AKW Paks freuen. Die dann fälligen Investitionssummen werden dem Segment vierstellige Wachstumsraten verschaffen, auf die dann folgenden Schlagzeilen dürfen wir uns schon heute freuen.

Der Schuldenspirale und dem Preisdruck auf dem Wohnbaumarkt folgend, gingen die Investitionen in diesen ebenfalls zurück, um 8,2%, im Vorquartal half ja noch der Aufbau eines Armenghettos für an Frankenkrediten Geschieterte der Statistik auf die Sprünge. Dass die Investitonen im Bildungssektor, in der Gesundheit und im Sozalbereich jeweils zwischen 5 und 6% zurückgingen, sei noch erwähnt, auch hier zeichnet der Staat an erster Stelle für das Volumen verantwortlich, was den Rückgang erklärt.

Mehr zu m Thema:

Juli-Zahlen des Arbeitsmarktes: Steuerfinanzierte Scheinarbeitsplätze schönen Beschäftigungsstatistik
http://www.pesterlloyd.net/html/1335arbeitsmarktmaibisjuli.html

Noch keine Wende - Mai 2013
Aber kleine Hoffnung beim BIP in Ungarn: absolut -0,9%, relativ +0,7% in Q1/2013
http://www.pesterlloyd.net/html/1320bipq12013.html

Déjà vu économique - Juni 2013
Ungarn schrumpfte Defizit auf Kosten der Wirtschaft, Investitionen -8,7%
http://www.pesterlloyd.net/html/1323dejavuinvestitionen.html

Geschenkt ist noch zu teuer - Aug. 2013
Banken in Ungarn verzichten sogar auf zinsfreies Kapital
http://www.pesterlloyd.net/html/1335kreditprogrammbilanz.html

Ausgetrocknet und überschwemmt
Nochmals 40% Rückgang beim Wohnungsbau
http://www.pesterlloyd.net/html/1331hausbaumarkthj1.html

Zinssenkungen mit Folgen
Ungarn ziehen Guthaben ab und plagen sich mit Kreditrückzahlung, Zwangsversteigerungen hinter Plan-Soll
http://www.pesterlloyd.net/html/1327zinssenkungen.html

cs.sz. / red.

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