THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 26 - 2014 POLITIK 25.06.2014

 

Kein Mann für eine Nacht...: Ein Gesprächsmitschnitt blamiert Polen und outet Ungarn als Flittchen Europas

Timing ist alles: Während Premier Orbán sich am Dienstag abmühte, der zu Ende gehenden einjährigen Präsidentschaft seines Landes im Visegrád Vier-Staatenbund (HU, SK, CZ, PL) eine "epochale" Bedeutung aufzuschwatzen, sorgte ein fein platziertes "Kreml-Leak" für einen weiteren aufschlussreichen Einblick in die ordinäre Realität der Macht und gab sowohl die polnische wie die ungarische Regierung der Lächerlichkeit preis.

Orbán und Putin wirken hier etwas, wie sagt man? - steif?

Das heimlich in einem Restaurant in Warschau mitgeschnittene und jetzt von einem polnischen Newsmagazin publizierte Gespräch zwischen dem polnischen Außenminister Sikorski, Finanzminister Karpinski, dessen Vize Gawlik sowie dem Vorstandschef des staatlich kontrollierten Energiekonzerns PKN Orlen (polnische MOL), Krawiec, enthält einige witzige Details über den von Kroatien steckbrieflich gesuchten MOL- und INA-Chef und Orbán-Verbündeten Hernádi sowie über Orbán selbst und dessen neue Liebe im Kreml. Nicht, dass die Fakten selbst neu wären oder irgendwen noch schockieren könnten, es ist allein die Form, die staunen und vor allem die regierungsfernen Medien detailreich zitieren ließ.

Veröffentlichung nach "Geheimverhandlungen" zwischen Budapest und Kiew sind kein Zufall

Zunächst berichtet PKN-Chef Krawiec seinen Tischfreunden von einem Besuch in Budapest, bei dem er seinen ungarischen Kollegen Hernádi dazu befragte, wie viel Jahre Haft er im Zusammenhang mit dem INA-Prozess (
hier die Details) wohl erwarte und ob er sich in Europa überhaupt noch sicher sein könne. Dieser erwiderte - mit breitem Grinsen - dass sein Freispruch durch ein ungarisches Gericht bereits ausgemachte Sache sei, der dann EU-weit Gültigkeit habe. Schließlich sei die zuständige Staatsanwältin mit seinem Anwalt verbandelt, er sehe daher nichts Problematisches mehr. Der Freispruch kam tatsächlich, wenn auch zwei Monate später als gedacht, Kroatiens Haftbefehl steht bei Interpol nun auf dem Prüfstand, die Sache ist in der Schwebe.

Ist natürlich eine billige Fälschung. In Wirklichkeit trinkt er aus seinem Stiefel...

Danach plauderten die Polen über Orbán und dessen kernenergiegeladenen Beziehungen zu Russland. Die regierungsamtliche Nachrichtenagentur MTI traute sich nicht, die Sache in den Mund zu nehmen und sprach von "obszönen Worten", die Krawiec benutzte, um Orbáns Bemühungen um einen 10 Mrd. EUR-Kredit zum Ausbau des AKW Paks zu beschreiben. Krawiec sagte schlicht, dass Orbán Putin einen geblasen habe und zwar dermaßen, dass Letzterer heute noch mit einem Ständer unterwegs sei. Und na klar werde Ungarn nun auch South Stream durchziehen und überhaupt habe sich Ungarn in "Leibeigenschaft" begeben.

Wie gesagt, nichts Neues eigentlich. Und die Gefälligkeiten, die Orbán Putin im Gegenzug für die "strategische Partnerschaft" erweist, gehen weit über den Energiesektor hinaus, streiften bereits die Ukraine (Orbán vertrat hier als Testballon Putinsche Positionen) und haben Auswirkungen auf den Umgang mit der sogenannten "Zivilgesellschaft", die auch in Budapest nach Moskauer Vorbild unter Beschuss genommen wurde. Wer dabei an einen Zufall glaubt, dass das Band genau drei Tage nach den "Geheimverhandlungen" zwischen Budapest und Kiew zur Umgehung des russischen Gaslieferstopps publiziert wurde, dem ist wohl nicht mehr zu helfen.

Orbán genießt keinen Haremsschutz, er wird wie eine billige Straßenhure behandelt

Die russische Abhörquelle ist offiziell nicht bestätigt, doch der Vorgang passt in das Muster der Moskauer Serientäter, die auf diese Weise bereits Timoschenkos räudige Mordaufrufe am russischen Volk platzierten und das legendär gewordene "Fuck the EU!" der US-Diplomatin Nuland sowie das Eingeständnis, die ukrainische "Revolution" mit 5 Mrd. Euro finanziert zu haben, an die Öffentlichkeit brachten.

 

Diesmal steht der - zwar historisch mitbedingte, sich aber pathologisch verselbständigte - Russenhass der Polen im Fokus, wobei Orbán auf diese Weise erfuhr, dass seine Obsession für den mächtigen Kreml-Chef ihn keineswegs in den Kreis besonders geschützter Günstlinge aufnimmt. Er also - um das Metaphernmilieu bis zur Neige auszukosten - nicht einmal zum Harem zählt, sondern seine Dienste von Moskau nur als die einer billigen Straßendirne in Anspruch genommen werden, die ansonsten mit ihrem miserablen Ruf selbst klar kommen muss. Orbán als die russische Matratze in Europa. Weit hat er´s gebracht. Die Polen stellten auf dem publizierten Band außerdem fest, dass die sogenannte strategische Partnerschaft des Landes mit den USA nichts bringe und im Grunde "nutzlos" sei, - vielleicht sollten sie unseren magyarischen Blasebalg einmal nach Washington schicken?!

Je dünner die Suppe, desto dicker die Schminke...

Orbán überschminkt - auch das ist ein psychologisch längst aufbereitetes Phänomen - seine Schande durch besonders dickes Auftragen. Zum Abschluss seiner Visegrád-Vier-Präsidentschaft am Dienstag, forderte Orbán, dass "die neu Ära neue Instrumente brauche" (seine Umschreibung für die Abschaffung von Demokratie und Rechtsstaat) und dass die "Länder Mitteleuropas" ihre "Meinungen in sensiblen Fragen lauter" äußern müssten.

Er stellte klar, was er will: Geld ohne Leistung. Freilich klingt das bei ihm etwas anders, z.B. so: der Versuch, finanzielle Vereinbarungen zwischen der EU und ihren Mitgliedsländern gegen den Lissabon-Vertrag zu ändern (lies: auch die Einhaltung der darin niedergelegten Grundrechte einzufordern oder gar in Richtung einer Fiskalunion zu erweitern) wäre ein "extrem gefährliches Experiment", das die "Visegrád Gruppe als Wachstumsmotor Europas" ins Stocken bringen könnte. - Das, mehr Kontrolle über das Haushaltsgebahren und der Versuch einer steuerlichen Harmonisierung im Interesse ausgeglichenerer Haushalte in Europa, ist auch der eigentliche Grund der Ablehnung von Juncker als EU-Kommissionspräisdent seitens Orbán.

Doch zurück zur Schminke: Je dünner die Suppe ist, die ein Führer "seinem" Volk anzubieten hat, umso lauter müssen die ideologischen Töne sein, umso dicker wird eben aufgetragen: ein Volk, dass sich nicht selbst vermehren kann, wird untergehen, ist eine dieser zentralen Thesen. Dazu müsse Europa seine "Vergangenheit respektieren", es "muss die Christlichkeit und die Nationen respektieren". Dass Beides künstliche Machtkonstrukte sind, die nichts weiter im Sinne haben als Obrigkeitshörigkeit und künstliche Abgrenzung, wissen wir nicht erst seit Gestern, sondern allerspätestens seit 1914, es liegt aber in der Natur von Orbáns Sache, ebendas als natürliche Gegebenheit zu postulieren. Seine konservativen Anhänger pflichten ihm bei.

Noch ein bisschen Schwulenhass für die Galerie

 

Und weiter: "Wir Ungarn erachten es als wichtig, dass künftig solche schädlichen Bekenntnisse, die Ehe und Familie als Werte zu relativieren suchen, weniger störend und scharf auftreten." Lies: am liebsten wäre ihm eine Homo-Promo-Verbot, sprich die Aberkennung des Menschenrechts auf freie Entfaltung wie Meinungsäußerung á la Putin. Sein Vize Semjén drückte das Ganze eben noch etwas klarer aus, aber der musste ja auch nicht vor Barroso und ausländischen Kameras sprechen. Dieser Moralismus wirkt vor dem Hintergrund der gerade publizierten Bänder besonders absurd, vor allem, da Orbán sein Verhältnis mit Putin begonnen hat, obwohl er noch immer verheiratet ist. Auch wenn das mit der EU nur noch eine lieblose Zweckehe sein dürfte.

Barroso sowie die Premiers der anderen V4-Wachstums-Motoren sagten ebenfalls ihre Verslein auf, vor allem die "Gasinterkonnektoren", die "Mitteleuropa" weiter von russischen Lieferungen unabhängig machen sollten, wurden betont, doch auf den Gängen der Konferenz in der Akademie der Wissenschaften war - natürlich hinter vorgehaltenen Händen - das forcierte Outing Orbáns, das Techtelmechtel des Pannon-Putins mit dem Original das Thema Nr. 1. Die Leute waren sich einig. Alles Lüge. Orbán will was Festes, er ist einfach kein Mann für eine Nacht...

red.

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