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(c) Pester Lloyd / 51 - 2014   NACHRICHTEN   16.12.2014

 

"Angriff auf Souveränität": Ungarn fürchtet sich vor "Actionplan" der USA gegen Korruption in Osteuropa

Bei der ungarischen Regierung scheinen die Nerven blank zu liegen. Ein äußerst unkluger, aber sicherer Hinweis darauf, dass man in punkto regierungsamtlicher Korruption doch nicht so unschuldig ist wie man sich immer darstellt. Eine neue US-Initiative lässt die Budapester Wortgewaltigen toben, auch weil wieder die NGO´s, also "feindliche Agenten" eine Rolle dabei spielen sollen.

“Schluss mit der Orbán-Maffia!” Eines der Transparente der Anti-Regierungs-Demonstranten der letzten Tage. Klar, alles von den USA bestellt und bezahlt...

Von Premier Orbán, über dessen sog. Außenminister Szijjártó, bis hinunter auf die Ebene nervös stammelnder Staatssekretäre, fürchtet man sich derzeit über einen von den USA angekündigten "Actionplan" gegen Korruption in Ostmitteleuropa. Dabei geht es jedoch nicht nur um Ungarn, sondern um fast 20 Länder der Region bis weit nach Osten, acht davon EU-Mitglieder. Die Botschaften der USA in diesen Ländern, sind, nach den Worten von Unterstaatssekretärin des State Department, Sarah Sewall, angehalten, Vorschläge zu unterbreiten, wie man "mit Unterstützung von NGO´s und der Zivilgesellschaft", "Anti-Korruptions-Reformen" umzusetzen kann. Auch ein eigener Fonds dafür ist vorgesehen.

Dass es dabei natürlich in erster Linie um für US-Unternehmen günstige Investitions- und Geschäftsbedingungen geht, steht außer Frage. Allerdings könnten die Länder selbst auch profitieren, wenn man denn an einem wirtschaftsfreundlichen Umfeld für alle interessiert ist. Orbán ist das erwiesenermaßen nicht, sonst gäbe es z.B. längst Untersuchungen gegen die Finanzamtsspitze in seinem Land und fast alles im Bereich EU-Mittel und öffentlicher Ausschreibungen wäre in den letzten vier Jahren anders verlaufen.

Seine Reaktion auf die US-Ankündigung ist entsprechend passiv-aggressiv: er habe "keine Ahnung, warum die USA so große Mittel für einen Actionplan gegen zwei Dutzend Länder bereitstellen, um Druck auf die Regierungen dieser Länder auszuüben." So wird mit einem Satz aus einem "Actionplan gegen Korruption", ein "Actionplan gegen Länder". Das sagt eigentlich schon alles.

Doch Orbán sagt nie genug: "Niemand in Ungarn ist glücklich darüber, dass unser Land zu einem US-Operationsfeld erklärte worden ist, zusammen mit über zwanzig anderen Ländern", heulte sich das Budapester Unschuldslamm genau wo aus? Natürlich, auf einem Wirtschaftsforum "Ostmitteleuropa - China", Musterdemokratien unter sich, sozusagen. Er (!) werden nun noch "herausfinden, ob es da eine Verbindung gibt zwischen den Verhandlungen der EU mit den USA zum Freihandel (TTIP) und diesem Aktionsplan." sagte er den chinesischen Freunden, wissend, dass er damit die Globalisierungsgegner, Aluhutfraktion und Antiamerikaner in Europa gleich mit auf seine Palme bringt, die in jedem Schritt der USA, erst recht, wenn er mit Geldmitteln verbunden ist, einen neuen Maidan erkennen müssen, damit ihr Weltbild nicht zusammenbricht - und denen dafür auch Diktatoren unterschiedlichster Ausprägung willkommen und die Auswirkungen auf deren Bevölkerungen vollkommen gleichgültig sind.

Wenn "jemand mit uns kooperieren will, sind wir dafür offen. Sie müssen uns dafür nicht unter Druck setzen oder Geld hinter unserem Rücken ausgeben..." offenbarte Orbán seinen lamoryanten Unmut. Es war übrigens auch Sinn der Regierungs-Aktionen gegen die NGO´s, die von den Norway EU-Grants finanziert wurden, dass deren Geld nicht mehr "hinter dem Rücken", sondern vorne herum, möglichst direkt in die Fidesz-Taschen klimpert. Norwegen stellte den Geldhahn daher vorerst ab und bleibt in der Sache beinhart, die US sind an einer politisch blockierten Justiz verzweifelt und antworteten mit Einreise-Sanktionen, auch wenn die Korruption im Lande dafür nicht der einzigen Grund waren, selbst die EU macht auch nicht mehr jeden Schwindel blanko mit, einige Fonds wurden jetzt geräuscharm vereist, nachdem man den Plünderungen jahrelang zugeschaut hatte.

Klar, dass Orbán, der von ausländischen Geldquellen so abhängig ist, wie ein Junkie vom Stoff, nun nervös wird und die beim Publikum so dankbar genommenene "Weltherrschaftskeule" hervorholt. Außenminister Szijjártó ließ er schon den Satz aufsagen, dass "ein Land, dass einen Aktionsplan gegen Ungarn ohne Konsultation mit dessen Regierung auflegt, Bedenken vom Standpunkt der Souveränität auslöst". Sein Staatssekretär Kovács sprach noch ungefilterter von einem "Aktionsplan gegen die Souveränität Ungarns". Orbán wählte bereits einmal
die gleichen Worte. Die Einforderung von rechtsstaatlichen Grundnormen als Angriff auf die "Nation". Es ist 2014 und es ist ernst gemeint.

Außerdem würde die Unterstützung von NGO´s in dieser Sache "Druck ausüben", so Szijjártó. Nun, das ist allerdings der Job von Nichtregierungsorganisationen, Druck auf Regierungen auszuüben. Die Menschen haben sonst keine Lobby, vor allem nicht, wenn das Parlament versagt, die Verwaltung gleichgeschaltet und die Justiz angekettet ist.

 

Nationalbankchef und Ex-Wirtschaftsminister Matolcsy erklärte gerade dem Vertreter von Transparency International, der weltweit führenden NGO gegen amtliche Korruption, was man in Ungarn von wachen Bürgern hält. "Alle ihre Fragen sind illegal". TI fragte nach den Vorgaben des Informationsfreiheitsgestezes an, es ging um die Abläufe bei den jüngsten Erwerbungen der MNB und der "Auslagerung" von über 600 Mio. EUR Volksvermögen in Stiftungen, eine völlig legale Nachfrage also. Doch Matolcsy, der sich, weil die "Notenbank gänzlich unabhängig" ist, auch dem Parlament verweigert, befand, dass der TI-Fragensteller, wahrscheinlich "nur aus persönlichem Zweck" frage...

Orbán betreibt sein doppeltes Spiel weiter: er bejammert und bekämpft die Reaktionen der Geprellten, hält sein System aber unzugänglich. Den US-Gesandten
ließ er verklagen, die Vorwürfe, die dieser vorbrachte, bleiben unbeachtet. Gestern wurde bekannt, dass das Regierungsamt KEHI, ein Vollstreckungsorgan von Kanzleramtsminister Lázár gegen unliebsame NGO´s, jetzt auch Untersuchungen gegen die in Ungarn operierenden Schweizer Fonds für die EU-Neumitglieder einleitet. Die Schweiz hat die Zahlungen noch nicht suspendiert...

red.

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