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(c) Pester Lloyd / 02 - 2017    NACHRICHTEN     09.01.2017

"Ausradieren": Angst vor Kontrolle - Ungarn bläst zur Jagd auf die Zivilgesellschaft

Weil Donald Trump Präsident der USA wird, sieht sich die ungarische Regierung motiviert, "Soros-finanzierte" NGO´s "aus dem Land zu fegen". Sie würden "Masseneinwanderung und Political Correctness promoten" und seien daher eine "Gefahr für das Land". Das Vorgehen ist dabei nicht nur postfaktisch, es ist postzivilisatorisch. Eine Gefahr sind Organisationen wie TASZ, Transparency International oder das Helsinki Komitee tatsächlich. Jedoch nicht für das Land, sondern für dessen korrupte Eliten...

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Orbán holt zum finalen Schlag gegen NGOs aus. Mit Mitteln eines Erdogan und Putin. Trump lässt schön grüßen...

Man mag zum neoliberal-globalistischen Konzept eines George Soros und seiner Organisationen, voran die Open Society Foundation, so kritisch stehen wie man will. Doch die von ihr geförderten NGO´s sind derzeit fast die einzigen effektiv arbeitenden Organisationen, die der systematischen und institutionalisierten Kleptokratie des Orbán-Staates entgegentreten.

Nachdem Orbán durch Selektion, regierungsnahe Fake-NGO´s und entsprechende Gesetze, viele traditionelle NGO´s aushungern ließ und deren Mittel an
Fidesz-Jubelorganisationen wie das CÖF umleitete, ist es eigentlich kaum verwunderlich, dass nur noch aus dem Ausland finanzierte Organisationen funktionsfähig blieben.

Deren fundierte Veröffentlichungen (am Ende des Textes einige Auswahllinks), bei denen sie mit Fachleuten und investigativen Journalisten kooperieren, sind den Günstlingsstrukturen der Fidesz-Mafia natürlich ein Dorn im Auge. Daher ist es nicht verwunderlich, dass man diese Art der negativen Publicity beseitigen möchte. Die
Einschränkung der Informationsfreiheit allein, genügte dafür nicht.

 

Schließlich hat man beim Fidesz nicht Jahre darauf verwendet, Gesetze passend zu gießen, um das Illegale zu legalisieren, die Exekutive und Judikative so gleich zu schalten, dass von ihr keine Gefahr mehr der Verfolgung von kriminellen Aktivitäten im Staats- und Behördenapparat und bei der weitgefächerten Günstlingswirtschaft  ausgeht, um sich dann von irgendwelchen NGO´s bloßgestellt zu sehen. Die Umverteilung öffentlicher Mittel, sowohl aus dem Staatshaushalt als - vor allem - auch aus EU-Kassen, von Unten nach Oben, aber vor allem in die Kanäle der Fidesz-Oligarchen und zahlreichen Strohmänner, ist ein zentraler Machtpfeiler von Orbáns System. Er muss es schützen, um seine Macht zu sichern. Seine Maßnahmen mögen zwar laut sein, sind aber folgerichtig und logisch. Das Vorgehen ist dabei nicht nur postfaktisch, es ist postzivilisatorisch.

Nach einem ersten, von höchten Regierungskreisen angefachten
Feldzug gegen rund ein Dutzend NGO´s, die aus dem norwegischen Staatsfonds kofinanziert wurden und der nur teilweise die gewünschten Erfolge brachte, setzt man nun, 2017, zum finalen Schlag an. Man bedient sich dabei nicht nur der Rhetorik eines Putin, Erdogan oder Trump, sondern auch deren Methoden und sieht sich im Rahmen des "Jahres der Rebellion" gegen "die liberale political Correctness" regelrecht dazu berufen, diese letzten Wächter gesellschaftlicher Transparenz handlungsunfähig zu machen.

1702nemeth (Andere)Szilárd Németh (Foto), einer der Horroclowns der Fidesz-Fraktion und Vizechef der Partei, bekannt für seine martialischen Ankündigungen, denen meist ebenso strikte Gesetze folgen, sagte, dass die "von Soros gelenkten Gruppen Masseneinwanderung promoten", man werde daher "Gesetze einführen, die deren Aktivitäten in Ungarn effektiv verhindern." "Diese Fake-Organisationen aus dem Soros-Imperium werden bezahlt, um die `Political Correctness` zu verbreiten. "Sämtliche Anstrengungen müssen sich darauf richten, diese Organisationen zurück zu halten und ich denken, man sollte sie hinwegfegen (ausmerzen). Dafür ist die internationale Gelegenheit gekommen, da ein neuer US-Präsident gewählt wurde."

Trump, von dem
sich Orbán ja tüchtigen Rückenwind für sein "Jahr der Rebellion" gegen die "liberalen Nicht-Demokratien" und seine "illiberale Demokratie" erhofft, hatte ja Soros auch schon angegriffen, weil der natürlich ein wichtiger Finanzier der demokratischen Wahlambitionen war. Er ist Teil jenes postulierten "Wall Street Establishments", bei dem das antisemitische Moment immer mitanhängt wie das präpotente Gemächt der selbsternannten Volkstribune. Trump will diesen "Sumpf" gekanntlich austrocknen, obwohl sein gesamtes Kabinett aus Wall-Street-Milliardären besteht, er selbst immer Teil dieses Sumpfes war - die Ignoranz für den kleinen Mann, das Steuer- und Strafrecht eingeschlossen.

Orbán studierte einst auf Soros-Rechnung in Oxford, er ist also Teil dieser postdemokratischen Nutznießer, die sich nun gegen ihre einstigen Förderer richten, weil deren Ideale ihren eigenen Ambitionen im Weg stehen.

Was hat nun die ungarische Regierung gegen die von Soros mitfinanzierten NGO´s vor, zu denen u.a. die Vereinigung TASZ, Transparency International oder das Helsinki Komitee zählen? Bei den von Norwegen - im Rahmen eines trilaterlen Abkommen zwischen Ungarn, Norwegen und der EU - finanzierten NGO´s, die Orbáns rechte Hand vor einigen Jahren attackierte, um
"schwarze Schafe zu eliminieren", reichte das Repertoire von (illegalen) Hausdurchsuchungen, Entzug der Steuernummern, Kooperationsverboten mit öffentlichen Einrichtungen, - alles belgeitet von einer so faktenbefreiten wie schamlosen Schmutzkampagne durch die regierungsnahe Presse und die Staatsmedien sowie die Regierung selbst.

Hinterher stellten Gerichte zwar die Unrechtmäßgikeit der Vorwürfe fest, doch das ging im allgemeinen Lärm unter. Ziel der Regierung war es, selbst über die Verteilung der norwegischen Mittel zu entscheiden, ein Ziel, das man teilweise erreichte, weil sowohl die EU als auch die Norweger sich auf einen faulen Kompromiss einließen, - zum Schaden der Unabhängigkeit der Projektträger und umsetzenden Organisationen. Man entschloss sich, die Fidesz-Günstlinge mitnaschen zu lassen, um die Projekte nicht ganz aufzugeben.

Auf die Soros-NGO´s will man zunächst so losgehen: das "Finanzgebahren der Chefs der Soros-Organisationen", auch das private, soll offengelegt werden. Interessant, wenn man bedenkt, dass die Mandats- und Amtsträger bei ihren gesetzlich geforderten Vermögenserklärungen regelmäßig - und für die Regierungsseite folgenlos - immer wieder
das eine oder andere Milliönchen vergessen oder zur werten Gattin umleiten. Zwar würden die NGO´s keine öffentlichen Gelder erhalten, was die Privatfinanzen der Betreiber eigentlich irrelevant machte, doch: "ihre Tätigkeit ist von öffentlichem Interesse", daher müssten sie die Hosen runterlassen.

Regierungssprecher Zoltán Kovács sieht in den NGO´s "die Instrumente fremder Mächte" am Werk, die vom Ausland finanziert sind und "unverantwortliche Versuche der Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse" vollführten, dies sei ein "weltweites Phänomen", wie stets wird Ungarn sich hier als Vorreiter zeigen. Als die Open Society Foundation publizierte, dass "der Schutz von Flüchtlingen unser Ziel" und "nationale Grenzen eine Hürde" dafür seien, war für Orbán das Stichwort gegeben, denn der grpße Zaunbauer will nationale Grenzen und keine Flüchtlinge. Man streute das Gerücht, dass die NGO´s abischtlich "auf der Flüchtlingswelle reiten", um "mehr Mittel zu lukrieren", dazu veröffentlichte man Beweisdokumente, die nichts bewiesen.

Noch weiter geht der frühere ungarische Geheimdienstchef László Foldi, der behauptet, "Soros-Gruppen" würden "militärische Operationen durchführen, um die nationale Souveränität der Länder zu schwächen und Flüchtlinge mobilisieren, um unsere Grenzen zu durchbrechen." Die Waffen der Gruppen wären "wirtschaftliche und soziale Infrastruktur".

Schon im März will Fidesz entsprechende Gesetze einbringen, um TASZ, TI und Co. mundtot zu machen, quasi zu verbieten. Die rechtsextreme Jobbik hat bereits grundsätzlich der Regierung ihre Unterstützung angekündigt, um notfalls auch die Verfassung ändern zu können. Wahrscheinlich wird es darum gehen, dass nur noch von der ungarischen öffentlichen Hand finanzierte und auf einer White-List geführte "N"GO´s als gemeinnützig eingestuft werden.

 

Die Open Society Foundation, Gegenwind ganz anderer Natur aus Orbáns Freundesstaaten der Türkei, Russland, gewohnt, bleibt zunächst gelassen und kündigte an, ihre Arbeit "unbeirrt für eine fairere und offenere Gesellschaft fortsetzen" zu wollen. Dazu gehört natürlich nicht nur die Aufdeckung korrupter Strukturen und demokratiefeindlicher Aktivitäten, sondern auch praktische Projekte. Seit 1990 haben die Soros-NGO´s über 3.000 Stipendien finanziert (wie gesagt, eines davon nahm Orbán in Anspruch), sammelte über 3 Millionen Euro für Ernährungsprogramme für Kinder - jene Kinder von Roma, die von den Regierungen im Stich gelassen wurden, hat Spenden für die Einrichtung von Krankenhäusern gesammelt und verteilt, 1 Million Euro kam von den NGO´s 2010 allein für die Opfer der Rotschlammkatastrophe, die auf Regierungsversagen zurückzuführen war. Insgesamt 60 NGO´s profitieren nicht nur vom Geld Soros, sondern auch vom Know how internationaler Erfahrungen. Sind diese still gelegt, fehlt das letzte Gegengewicht zu den politischen und ökonomischen Zerstörungs- und Raubzügen der Fidesz-Regierung. Genau darum geht es.

Die MSZP, früher immer wieder selbst Ziel von Kritik dieser NGO´s sieht "Angst" als Triebkraft des Fidesz gegen die NGO´s und Maßnahmen, "die gegen den Rechtsstaat gerichtet" sind, in dem nämlich Versammlungsfreiheit und zivilgesellschaftliches Engagement im Rahmen von Vereinen Grundrechte darstellen. Es sei unglaublich, dass Orbán der Zivilgesellschaft "offen den Krieg erklärt".

Die LMP erklärte, dass die Zivilgesellschaft eine "tragende Säule jeder Demokratie" sei, um "die gewählten Vertreter der Macht zu kontrollieren". Daher fahre Fidesz einen Angriff gegen die Demokratie. Die Regierung demonstriere letztlich keine Stärke, sondern ihre Schwäche, wenn sie Kritik, andere Meinungen und Transparenz nicht aushalte.

red.

Geheimniskrämereien: NGO´s verlangen Einblick in behördliche Dokumente
http://www.pesterlloyd.net/html/1313geheimniskraemer.html

Steuerskandal in Ungarn: Über tausend Demonstranten forderten Aufklärung
http://www.pesterlloyd.net/html/1352demosteuerskandal28.html

Von der Sucht in die Abhängigkeit: TASZ warnt vor Scientology an Schulen
http://www.pesterlloyd.net/html/1508scientology.html
 
Aktuelle NGO-Studien: Wie Moskau ungarische Neonazis unterstützt, wie Fidesz Armut in Wählerstimmen ummünzt, wie Whistleblower besser geschützt werden können
http://www.pesterlloyd.net/html/1518dreistudien.html

NGO´s klagten: Verfassungsgericht von Ungarn verbietet Kriminalisierung von Obdachlosen
http://www.pesterlloyd.net/html/1246verfassungsgericht.html

red.


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