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(c) Pester Lloyd / 51 - 2014   POLITIK   16.12.2014

 

Die "vergessene Milliarde": Orbáns Freund und Kupferstecher hat den Überblick verloren

Der Bürgermeister von Orbáns Heimatort Felcsút, Lőrinc Mészáros, Fidesz, ist der nächste in einer immer länger werdenden Reihe von Politikern der Regierungspartei, denen Unstimmigkeiten in ihren verpflichtenden Vermögensdeklarationen nachgewiesen werden. Er ist das schillernde Paradebeispiel all dessen, was die Demonstranten auf der Straße als Orbáns "Mafia-Staat" anprangern. Doch auch er ist nur ein kleiner Player in einem finsteren Geflecht.

Lörincz Mészáros und Viktor Orbán teilen sich noch den letzten Kürbiskern...

Praktisch alle engen Vertrauten aus Orbáns Umfeld, von Fidesz-Vize Kósa, über Kanzleramtsminister Lázár, Außenminister Szijjártó bis Fidesz-Fraktionschef Rogán, fielen durch die unerklärliche Anhäufung und / oder das Verbergen von Vermögen auf (Links unter dem Beitrag), redeten sich heraus und gelobten halbherzig Besserung. Und dabei ging es eigentlich nur um Peanuts, eine undeklarierte Villa hier, eine auf den Sohn geschriebene Wohnung dort, falsche Quadratmeterzahlen oder komische Kreditkosntruktionen, ein paar verscherbelte Bezirksimmobilien hier und dort uns so weiter und so fort. Und außerdem: Luxemburg ist doch EU, also nicht off-shore....

Die eigentlich vorgesehenen parlamentarischen bzw. strafrechtlichen Konsequenzen für falsch ausgefüllte Vermögenserklärungen blieben - im Unterschied zu Verstößen bei Oppositionspolitikern - konsequent aus, von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in größeren Korruptions- und Amtsmissbrauchszusammenhängen braucht man heute nicht einmal mehr träumen. In Ungarn werden die Aufdecker als "Verleumder" an der Nation angeklagt, nicht die Verbrecher.

Der Fall des Lőrinc Mészáros ist besonders eindrücklich und durch die persönliche Nähe zum Premier auch besonders pikant. Aus dem Stand wurde der einfache Bauer und "Jugendfreund" Orbáns seit 2010 zum (Forint-)Mutlimilliardär, Großgrundbesitzer, Bauunternehmer und Regionaloligarch, der es auf die Liste der reichsten Ungarn schaffte.

Binnen weniger Monate nach Orbáns Amtsantritt wurden ihm bzw. Familienmitgliedern und ihm zugeordneten Personen und Unternehmen vom Nationalen Bodenfonds enorme Agrarflächen zur Pacht zugewiesen, Mészáros wurde zum größten Grundbesitzer der Gegend und dazu auch zum größten Empfänger von EU-Agrarsubventionen und sonstigen Förderungen und zum Sinnbild für die neue Fidesz-Landnahme, die den Slogan von "Ungarnland in Bauernhand" zum reihnen Hohn machte.
Hier ein "Best of" dieser Praktiken. Seine vielfältigen geschäftlichen Verflechtungen mit der Gattin Orbáns und anderen befreundeten Familien am Orte ließen den Ruf des Stroh-Gutsverwalters entstehen.

Er ist - im Ehrenamt - Präsident der von Viktor Orbán gegründten Puskás Fußballakademie und erhielt - inzwischen auch ein vielbeschäftigter Bauunternehmer - selbstredend den milliardenschweren Auftrag zum Bau des für ein 1.700-Einwohner-Dorf gigantischen Stadions, der
Pancho Arena, der ihm mehrere hundert Millionen Forint Gewinn einbrachte. Zum Firmengeflecht gehören mehrere Baufirmen und Beteiligeungen, aber auch ein Restaurant und eine Beraterfirma, seine Familie schnappte sich die Tabakhandelslizenzen des Ortes, zuletzt eröffnete Orbán persönlich dessen neue Mangalica-Zucht als ein vorbildliches Besipiel traditionsbewußten Landlebens und erfolgreichen Unternehmertums.

Mit der Zeit muss der agile Mann die Übersicht verloren haben, denn der
antiorbanistische Kampfsender RTL Klub deckte in der Vorwoche auf, dass in seiner Vermögenserklärung (als Bürgermeister muss er, wie jeder gewählte "Volks"vertreter jährlich eine solche publik machen) rund 1 Mrd. Forint (rund 3,2 Mio.) fehlen. Ups, meldete sich der Ertappte beim Feindsender, er habe sie "wohl vergessen", was daran liegt, dass er zwar sein Monatseinkommen von 1,7 Mio. Forint (zahlt er sich als Angestellter seiner eigenen Beratungsfirma selbst) und die Rendite aus dem Vorjahr von rund 943 Mio. angegeben habe, wohl übersehen haben muss, dass ihm seine Unternehmen "in diesem Mai schon wieder eine Rendite", diesmal 1,0127 Mrd. Forint ausbezahlt habe. Sowas aber auch.

Allerdings schränkte er ein, dass sein Bankkonto in der Zeit nur um 300 Mio. Forint (also knapp 1 Mio. EUR) anwuchs, da er für "Lebenshaltungskosten" und den Kauf von Immobilien rund 900 Mio. aus der zweiten Renditezahlung aufwendete. In der nächsten Erklärung werde alles richtig gestellt. Auf Wiederhören.

Immer wieder gibt die "familiäre" Konstellation zwischen Mészáros und den Orbáns sowie einer weiteren Familie vor Ort Anlass für Spekulationen. Dabei fragt längst niemand mehr, ob, sondern nur noch wieviel von den angehäuften und bewegten Summen eigentlich Orbán selbst "zustehen" und setzt diese Spekulationen in Zusammenhang u.a. mit dessen "privaten" Reisen in die Schweiz. Kenner der Szene gehen jedoch davon aus, dass die "Felcsúter Abteilung" nur ein Mini-Segment des eigentlichen Verschiebungsgeflechts des derzeit mächtigsten Mannes Ungarns darstellt. Und auch die Spirenzchen der jungen Wilden mit ihren Villen, 3000-EUR-Täschchen und Uhren, Luxusautoss (alles im beißenden Kontrast zu den bescheidenen offiziellenEinkommen), nur das Bling-Bling hinter dem großen, sysetmatischen Rabuzug an Volksvermögen (Stichwort
Finanzamt, kommender 13 Mrd.-EUR-AKW-Ausbau unter Geheimhaltungt etc., Gasverkäufe über die Schweizer MET etc.) und EU-Milliarden (deren Kassenwart ist ein gewisser Herr Lázár) sind.

Verbindungen auf einschlägige Off-Shore-Inseln, aber auch Geflechte auf dem Balkan, besonders in Bosnien sowie natürlich die üblichen Eichhörnchenreservoirs in Liechtenstein, Luxemburg, Gibraltar etc. werden jedoch höchstens über Personen aus dem Umfeld Orbáns andeutungsweise bekannt, was - neben dem Alpha-Komplex des Rudelführers - erklärt, warum politisch völlig inkompetente und menschlich untragbare Gestalten so stabile und steile Karrieren haben können.

(Hier seien, neben der "Burschenschaft" Rogán, Szijjártó, Lázár noch Kommunikations-Staatssekretär Giro-Szász (Századvég-Waschmaschine) nebst PR-Giftzwerg Habony (der gar kein öffentliches Amt hat, sondern nur den Operettentitel "persönlicher, strategischer Chefberater Orbáns" führt, bald aber über ein 50 Mrd. Forint staatlichen Anzeigenbudget
verfügen wird und als potentieller Aufkäufer für das Simicska-Medienimperium gehandelt wird) genannt, auch der neue Regierungssprecher Kovács passt mit seiner Mischung aus intellektueller Dumpfheit und ethischer Verrohung schön zu diesem Kreis.)

Dass die wirklich Strukturen hinter der Fassade der "nationalen Revolution" irgendwann aufgedeckt werden, wenn wohl auch nie vollständig, kann als eine reine Frage der Zeit betrachtet werden. Inwiefern jedoch Ungarns Justiz noch in der Lage - oder willens - ist, diese dann auch aufzuarbeiten und was die Gewinnler alles zu unternehmen bereit sein werden, um ihr Angehäuftes zu verteidigen, ist eine Frage, die wohl nicht geräuschlos beantwortet werden wird.

 

Der Oppositionskandidat der Mitte-Links-Partei E2014-PM für Orbáns Heimatort Felcsút / Alcsútdoboz für die Kommunalwahl des 12. Oktobers, András Váradi, wurde beim Plakatekleben in der Nacht vor der Wahl am Ortsrand "von einem Fahrzeug mit österreichischem Kennzeichen und einem 84jährigen österreichisch-ungarischen Doppelstaatsbürger", so die Polizeiinfo, erfasst und tödlich verletzt.

Váradi war ein landesweit bekannter Aktivist der Bürgerproteste gegen die größenwahnsinnigen Projekte von Premier Orbán in dessen Heimatort Felcsút, Auch gegen die Fidesz-Landverteilung an Funktionäre und Günstlinge mobilisierte der "Schäfer von Alcsútdoboz". Der Anwalt der Familie stellte vorige Woche "verschiedene Diskrepanzen" zwischen dem offiziellen Obduktionsbericht und dem Polizeibericht fest, die nahelegen, dass einer von beiden falsche Angaben enthalten muss...

a.l.

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