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David Cohnen – Der E-Mail-Spammer, der die AfD stärken und russische Narrative verbreiten will – mit KI-generierten Massenmails

Internet. Vielleicht haben Sie auch schon eine E-Mail von einem gewissen „David Cohnen“ in Ihrem Postfach gefunden – meist relativ lang, gut formuliert, politisch durchzogen. Wer dahinter steckt, ist nicht eindeutig geklärt. Eine offizielle Person dieses Namens taucht nicht öffentlich auf, keine eindeutig zuordenbare Organisation, kein transparenter Absender. Dennoch verschickt dieser Empfänger seit Jahren massenhaft politische Texte an Empfänger in ganz Deutschland und Europa – an Journalisten, Behörden, Universitäten, Privatpersonen. Auch die Emailaddresse des Pester Lloyd, [email protected] (wir freuen uns über jede seriöse Zusendung) ist in diesem Verteiler ohne unseren Willen eingetragen worden.

Unsere Redaktion hat mehrere dieser Mails untersucht. Das Ergebnis: Mit hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich um automatisch erzeugte, KI-unterstützte Texte. Das Muster ist deutlich: gleichbleibende Struktur, nahezu identische Satzrhythmen, immer derselbe sachlich-moralische Tonfall. Inhaltlich abwechslungsreich: einmal geht es um den Ukraine-Krieg, ein anderes mal um Migration, dann um angebliche Sprach- und Meinungszensur in Deutschland. Das Ziel scheint bei durchsicht mehrere Emails klar: Einflussnahme auf die öffentliche Meinung, zugunsten russischer und rechts-populistischer Positionen.

Update vom 2. November 2025

Nach Veröffentlichung unseres Artikels hat sich der anonyme Absender „David Cohnen“ überraschend erneut bei der Redaktion gemeldet, direkt. Diesmal mit dem Versuch, den Pester Lloyd mittels formaler Forderungen einzuschüchtern. Er verlangt eine Gegendarstellung, bleibt jedoch weiterhin anonym, beantwortet keine unserer Fragen und verweigert jede Transparenz.

Statt eine einzige der offensichtlichen Kernfragen zu klären, etwa wie er an zehntausende E-Mail-Adressen gelangt, warum er massenhaft ungefragt politische Mails versendet, oder ob und in welchem Umfang er KI-Texterstellung nutzt, beschränkt „Cohnen“ sich auf den Versuch, presserechtlichen Druck aufzubauen.

Bemerkenswert: Während seine Massenaussendungen bisher überwiegend in perfektem Englisch verfasst waren, erreichte uns seine Beschwerde nun in makellosem, stilistisch poliertem Deutsch – wiederum ohne jedwede Rechtschreib- oder Grammatikfehler, in aalglatter Struktur. Ein weiterer Hinweis darauf, dass auch dieses Schreiben KI-basiert erstellt oder zumindest nachbearbeitet sein könnten.

Anstatt den Dialog zu suchen, schreibt der Absender:

„Ich fordere die Redaktion des ‚Pester Lloyd‘ auf, […] eine Gegendarstellung […] zu veröffentlichen.“

Dass jemand, der unter einem mutmaßlichen Alias auftritt, keinerlei Identität offenlegt und selbst massenhaft ungefragt kommuniziert, nun versucht, Medien in ihrer Berichterstattung zu beeinflussen, ist bemerkenswert. Der Pester Lloyd veröffentlicht keine Stellungnahme eines Absenders, dessen Existenz nicht verifiziert ist und der sich jeder inhaltlichen Klärung verweigert.

Dieses Verhalten bestätigt unsere ursprüngliche Einschätzung: Der Absender scheut Transparenz, vermeidet jede Nachprüfbarkeit und reagiert auf kritische Berichterstattung nicht mit Klärung.

Nach Erhalt seiner Gegendarstellungsaufforderung stellte die Redaktion dem Absender „David Cohnen“ Fragen, die ein seriöser Autor leicht beantworten könnte. Keine davon wurde beantwortet.

Unsere Fragen an „David Cohnen“ – alle unbeantwortet:

Herkunft der E-Mail-Adressen:
Wie gelangen Sie an zehntausende private und redaktionelle Mail-Kontakte in Deutschland und Europa?

Ungefragter Versand („Spam“):
Warum versenden Sie ohne Einwilligung massenhaft politische Mails an Personen, die nie um Kontakt gebeten haben?

Versandvolumen und Struktur:
Wie erklären Sie Ihren außergewöhnlich hohen Output – mehrere lange politisch-analytische Texte pro Woche?
Sind Sie Einzelperson, Team oder professionelles Projekt?

KI-Einsatz:
Sind Ihre E-Mails (vollständig oder teilweise) durch KI-Systeme generiert oder redigiert worden?

Sprachwechsel, Stilglätte:
Warum schreiben Sie in nahezu fehlerfreiem C2-Englisch und nun ebenso fehlerfrei auf Deutsch – ohne Stilvariationen, Dialekt, Tippfehler oder natürliche sprachliche Eigenheiten?

Identität:
Warum treten Sie unter einem mutmaßlichen Alias auf und verweigern eine Offenlegung, fordern aber presserechtliche Privilegien?

Wie die Mails gestaltet sind

Die E-Mails wirken seriös: Überschriften wie „Position Paper“ oder „Analysis of the Case“ suggerieren wissenschaftliche Fundierung – gar einen akademisch-analytischen Hintergrund. Absätze sind nummeriert, jeder Gedanke folgt einer vordergründig logischen Struktur. Keinerlei Tippfehler, keine typisch menschlichen emotionale Ausbrüche – stattdessen eine kalte aber moralisch aufgeladene Sprache, die Vernunft suggeriert, aber politisch eindeutige Schlagseite besitzt.

Inhaltlich bedienen die Texte durchwegs ähnliche rhetorische Muster: Forderungen nach „realistischen“ Lösungen für komplexe Konflikte – zugleich aber Relativierung russischer Kriegsverbrechen oder Vorwürfe an westliche Politik, sie setze Ideale über Realität.

Ein Muster dass sich ua. Vladimir Putin zuschreibt: Aufseiten der Sachpolitik zu sein, frei von Ideologie. Philosophen wie Slavoj Zizek legen nahe dass gerade diese „Ideologiefreiheit“ meistens den stärksten Ideologischen Einfluss besitzt: Kaum ein ideologisch beinflußter Mensch wird von sich sagen, Ideologisch beinflußt zu sein: Man beasprucht für sich, frei von äußeren Einflüssen zu sein. Im Fall Putins wird von Analysten nahegelegt dass dieser stark von Alexander Geljewitsch Dugin, einem russischen rechtsgerichteten Nationalisten und prominenten Nationalphilosophen beeinflußt ist.

David Cohnens Emails folgen so einem pseudo-Sachpolitik Narrativ:
Im Inland geht es gegen „woke“ Kultur, Migration und gegen den liberalen Konsens der Nachkriegszeit. Diese Themenwahl ist unserer Einschätzung nach kein Zufall: Sie greift genau jene Diskurse auf, in denen sich die Alternative für Deutschland (AfD) vorzugsweise suhlt.

Was die Spuren zeigen

Besonders auffällig: die formale Gleichförmigkeit der Texte. Egal ob es um den Ukraine-Krieg, den Fall Norbert Bolz oder eine Rede von Friedrich Merz geht: alle Mails folgen demselben strukturellen Plan: sachliche Einleitung, dann nummerierte Argumente dann eine scheinbar ausgewogene Schlussfolgerung. Das ist nicht Schreibstil typischer politischer Aktivisten, sondern eher das Produkt eines algorithmischen Textgenerators, getrimmt auf vorgeblich neutral-analytisch, aber mit klarer Positionierung.

Hinzu kommt eine hohe Frequenz: Mehrere Mails pro Woche, oft mit neuen Themen. Ein Mensch, der mit dieser Regelmäßigkeit derart strukturierte Essays verfasst, müsste Vollzeit-Autor sein – doch es gibt dedato keine Hinweise auf eine solche reale Person. Der Output scheint schlichtweg zu hoch: Viel wahrscheinlicher ist eine automatisierte Textproduktion basierend auf ausgeklügelten AI-Prompts, mit Einfütterung von Nachrichten. Die Überschneidung mit Themenschwerpunkten der AfD erscheint äußerst verdächtig.

Wozu das Ganze?

Das Ziel ist unklar, allerdings drängt sich eine Vermutung auf: Beeinflussung der öffentlichen Meinung, getarnt als nüchterne Analyse. Wer diese Mails liest, soll glauben, sie stammen von einem besorgten, gebildeten Bürger – nicht von einer Maschine oder gar einer Troll-Fabrik (Propaganda-Büros wie sie etwa Russland unterhält). Die Botschaften sind eindeutig politisch kodiert: Westliche Demokratien werden gegeneinander ausgespielt, russische Aggression wird relativiert, die AfD wird als „vernünftige“ Stimme in einer hysterischen Gesellschaft inszeniert.

Solche Strategien passen zu bekannten Mustern russischer Desinformationskampagnen: keine plumpen Propaganda-Parolen, sondern geschickt formulierte Halb-Wahrheiten, die an vorhandene Zweifel und Ressentiments der Bevölkerung anknüpfen. Neu ist allein die Technik – heute braucht es keine Trollfabriken mehr: Eine KI und ein geübter Propagandist genügt.

Ein alter Bekannter

Bereits 2021 berichtete das Portal T‑Online über „David Cohnen“ – damals als geheimnisvollen E-Mail-Versender, der Politiker, Pfarrbüros und Medien mit politischen Rundschreiben überschwemmte. Die Texte damals klangen noch menschlicher, weniger fehlerfrei, hatten typisch menschliche Varianzen und von Zeit zu Zeit Rechtschreibfehler sowie grammatikalische Schwächen. Die heutigen Cohnen-Mails wirken glatter, sprachlich makellos. Propaganda im Kleid der Vernunft – mit deutlicher AI-Unterstützung.

Unsere (mittels ChatGPT) vorgenommene stilometrische Analyse zeigt, dass die Wahrscheinlichkeit der Verwendung von AI über 90% liegt. Ironischerweise wird mutmaßlich kein menschlicher „Feinschliff“ der Texte vorgenommen: es wird gepromptet bis zum gewünschten Ergebnis, und dann versendet.

Was bleibt

Dass ein bislang nicht verifizierter Absender mithilfe künstlicher Intelligenz politische Botschaften massenhaft an deutsche Empfänger verschickt, zeigt, wie einfach sich Desinformation heute professionalisieren lässt. Was früher Zeit, Geld und Personal benötigte, lässt sich nun mit einem Sprachmodell in Minuten erzeugen und mittels einer ausgeklügelten Spammail-Infrastruktur an Millionen Empfänger ausstreuen.

Die Gefahr liegt nicht allein in der Technik, sondern in der Tarnung. Wer solche Mails liest, erkennt nicht zwangsläufig den Propagandacharakter – scheinbar vernünftige Argumente, die sich schleichend ins Denken einprägen.

Kritisch hinschauen, auch wenn der Ton höflich und der Stil fehlerfrei ist. Denn Propaganda hat dank AI gelernt, sich zu benehmen.

Quellen: E-Mails von David Cohnen, Analyse mit ChatGPT via stilometrische Auswertung, T-online.de, X-Beiträge von Beobachtern, Slavoj Zizek
Photo: Screenshot eines Emails von David Cohen an den Pester Lloyd

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