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(c) Pester Lloyd / 12 - 2012     WIRTSCHAFT   22.03.2012

 

Lohnerhöhung aus der Chipstüte

Ärzte in Ungarn bekommen endlich mehr Geld

Erstmals seit zehn Jahren können sich vor allem die 86.000 Ärzte sowie 60.000 weitere Angestellte des ungarischen Gesundheitswesens über eine allgemeine und spürbare Gehaltserhöhung freuen. Die war auch nötig, wenn man nicht noch mehr Mediziner ans Ausland verlieren wollte. Doch, wie alles in Ungarn, steht auch die Finanzierung dieser Lohnerhöhungen auf sehr wackeligen Füßen und offenbart eine geradezu absurde Logik.

Ärztedemo in Budapest. Mediziner bilden ein Herz und die Umrisse des Landes.

Die Maßnahme ist Teil eines Deals mit den Ständevertretern von Ärzten und Pflegepersonal. Vor allem Erstere hatten mit massenhafter Kündigung und Abwanderung wie schon in der Slowakei und Tschechien gedroht, wenn die Regierung sie nicht endlich angemessen bezahlt. Nach Schätzungen der Kammer verlassen monatlich rund 100 Ärzte das Land.

Laut Ministerium bedeuten die jetzt verkündeten Lohnerhöhungen für alle nicht niedergelassenen Ärzte, die derzeit unter 350.000 Forint brutto (1.200 EUR) monatlich erhalten, das sind rund 80%, einen Gehaltssprung um 65.800 Forint (225 EUR). Weitere 22.000 Mitarbeiter im Assitenz, OP-, Labor, Notfall- und Intensivbereich erhalten 20.000 Forint (68,50 EUR) mehr im Monat, ca. 32.000 Angestellte im stationären Pflegedienst und andere Hilfskräfte dürfen noch mit 15.000 Forint (knapp 52.- EUR) mehr rechnen, was beim niedrigen Lohnniveau einiger Gehaltsgruppen ein Plus von bis zu 20% ausmacht.

Diese Lohnerhöhungen werden den Staatshaushalt 30,5 Milliarden Forint (rund 105 Mio. EUR) im Jahr kosten, rechnete Gesundheitsstaatssekretär Miklós Szócska vor, die eine Hälfte davon solle durch "Umschichtungen innerhalb des Systems", also Kürzungen an anderer Stelle, die andere Hälfte durch die "Chipssteuer" finanziert werden. Da die Einnahmen daraus aber nicht genau zu berechnen sind, sehen Experten bereits ein weiteres strukturelles Haushaltsrisiko. Bereits im Vorjahr bekamen die Gesundheitsarbeiter eine kleinere Prämie aus dieser Steuer.

Szócska räumte denn auch ein, dass das Konstrukt nur für dieses Jahr gelten solle und man sich noch nach einer "langfristig tragfähigen Finanzierung" umschaut. Die Fiannzierung ist ohnehin absurd, tritt durch die Chipssteuer der zumindest offiziell so gewünschte Effekt ein und die Menschen verzichten auf den Kauf "ungesunder" Lebensmittel, schwankt die Finanzierung der Ärzte. Stopfen sich die Leute aber in patriotischem Heißhunger mit Chips und Energy Drinks voll, kann sich der Staat die Ärzte leisten, die er dann aber auch braucht...

Nach internen Informationen sollen die zweiten 15 Mrd. Forint zunächst beim Posten "Behandlungen und Vorsorge", ausgestattet mit rund 2,6 Mrd. EUR im Jahr, "reserviert" werden, aus dem man wohl auch zugreift, wenn die Chipssteuer nicht die Erwartungen erfüllt, was wiederum Auswirkungen auf die Arbeit der Mediziner haben muss. Ab diesem Jahr werden übrigens alle Sozialversicherungen, also Rente, Arbeitslosigkeit und Krankenbeitrag in einen zentralen Fonds gezahlt und erst dann aufgeteilt, so dass die Steuerzahler nicht mehr erkennen können, welcher Anteil ihres Lohnes in welche Versicherung fließt, was auch die Formulierung allfälliger Ansprüche unmöglich macht.

Bei den Medikamentenzuzahlungen spart die Regierung weiter drastisch, um die Brüsseler Haushaltsvorgaben zu erreichen. Nachdem sie zunächst bei der Pharmabranche ansetzte, stieß dies auf massiven Widerstand, mit dem erwartbaren Ergebnis, dass nun Rentner und Geringverdiener die Hauptlasten zu tragen haben.

Das Statistische Zentralamt KSH gibt die Zahl der Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit derzeit rund 141.800 an, rund 108.000 sind mindestens als Facharbeiter eingestuft. Die Zahlen liegen damit rund 2% unter dem Niveau des Vorjahres. Das Durchschnittsbrutto aller Beschäftigten im Gesundheitssektor wird mit 161.900 Forint (554.- EUR) angegeben und liegt damit unter dem Gesamtdurchschnitt.

 

Aufgrund der Steueranhebungen zu Beginn des Jahres sowie den Auswirkungen der Flat tax, hatten alle, die unter 216.800 brutto verdienten in diesem Jahr Einbußen beim Nettoeinkommen, das mit durchschnittlich 105.950 Forint (362.- EUR) angegeben wird. Die Bruttowachstumsraten von 4,9%, Teil der Jubelpropaganda wurden allein schon von der Inflationsrate von fast 6% (Europarekord) im Februar hinweggefegt, die wiederum Ergebnis der neuen Mehrwertsteuer von 27% (Europarekord) ist. Hier mehr zu den Zahlengaukeleien der Regierung.

Eine ähnliche, nicht so "üppige" Gehaltsrunde, steht auch bald den noch zalhreicheren Lehrern bevor, die dafür zuständige Staatssekretärin versucht gerade die Finanzierung dafür über Entlassungen, Schulschließungen und -zusammenlegungen sowie ein radikales “Belohnungs-Gehaltssystem” zu realisieren, die sie bereits kürzlich als "Strukturreform" verkaufte.

red.

 

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