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(c) Pester Lloyd / 24 - 2012     WIRTSCHAFT 13.06.2012

 

Auf Sand gebaut

Haushaltsrat in Ungarn verreißt Budgetentwurf 2013

Der Haushaltsrat bewertet den ersten Entwurf der Regierung zum Budget 2013 als nicht tragfähig und schlägt eine Reihe von Änderungen vor. Kritisiert wird in erster Linie - wieder - die Zahlenbasis, auf die der Staatshaushalt konstruiert wird. Zu viele Unwägbarkeiten und überoptimistische Prognosen machen aus dem Papier mehr einen Lottoschein als ein verlässliches Gesetz. Somit bleibt die Fiskalpolitik der Orbán-Regierung weiter unberechenbar.

Der Haushaltsrat, der von der Orbán-Regierung strukturell "umgestaltet" wurde, weil ihr der vorherige Chef wegen seiner direkten kritischen Äußerungen nicht in den Kram passte, macht mit seiner Kritik Anstalten sich bei Orbán, Matolcsy & Co. ebenfalls sehr unbeliebt zu machen. Ursprünglich wurde er nämlich als Wächterorgan gegen eine zukünftige anderslautende Regierungsmehrheit eingesetzt und dafür unter bestimmten Umständen sogar mit einem Vetorecht gegen das Budgetgesetz ausgestattet.

 

Er ist - neben Kardinalsgesetzen und anderen mit unendlich langen Amtszeiten besetzten Spitzenstellen von Verfassungsinstitutionen - Teil des Maßnahmenpakets, um eine Nicht-Fidesz-Regierung nötigenfalls am Regieren zu hindern und sich so auch Einfluss in eine denkbare Oppositionszeit hinein zu sichern.

Ein derart einstimmiger Widerspruch des Haushaltsrates gegen die eigenen Herren war daher eher nicht vorgesehen, zumal sich das Gremium für seine Einschätzung neben dem Rechnungshof auch noch Rat beim "Erzfeind", der Nationalbank, einholte (deren Chef pro Forma auch Mitglied im Haushaltsrat ist), wie aus der Mitteilung auf der Parlamentswebseite hervorgeht. Im Januar schon schmiss der Chef des Haushaltsrates, der Ex-Zentralbankchef, und eigentlich fidesznahe Zsigmond Járai hin, der die Wirtschaftspolitik der Orbán-Regierung nicht mehr mittragen konnte. Seitdem häuft sich die Kritik an Matolcsys Voodoo-Politik auch in den eigenen Reihen, zuletzt durch Attila Chikán, immerhin Wirtschaftsminister der ersten Orbán-Regierung und Akademiemitglied.

Der Rat "stellt Risiken in Bezug auf makroökonomische Annahmen" fest, was heißen soll, dass man die Prognosen hinsichtlich Wachstum, Arbeitsmarktentwicklung, Steuereinnahmen etc. für übertrieben hält. Hier fordert man die Regierung zu "Alternativen" auf. 1,6% BIP-Wachstum könnten nur gelingen, "wenn die Inlandsnachfrage substantiell zulegt und das Investorenvertrauen spürbar steigt." Beides scheint schwer, ersteres ist schon aufgrund der Einkommenssituation ausgeschlossen, was der Rat weiß, aber nicht direkt ausspricht.

Gleichzeitig legt man dem Budgetersteller nahe, rechtzeitig ausreichende Rücklagen im "Nationalen Landesschutzfonds" (einer Budgetreserve) zu hinterlegen, um für möglicherweise notwendige "risikoorientierte Korrekturen" am Budget gewappnet zu sein, unter denen eine Pleite der Nahverkehrsbetriebe BKV oder weitere Schulden der Staatsbahn fast die kleineren Risiken sein könnten.

Ungefähr zwei Dutzend Umsatz- und Ausgabepositionen findet der Haushaltsrat "nicht ausreichend hinterlegt", d.h. über- bzw. unterschätzt und sagt damit nicht weniger, als dass das Finanzministerium offenbar nicht in der Lage ist, Einnahmen und Ausgaben in vielen Positionen halbwegs richtig einzsuchätzen. Diese Feststellung wundert angesichts des Handlings der letzten Budgets kaum noch jemanden. Der Rat sieht weiterhin Probleme bei der rechtzeitigen Implementierung der im Széll 2.0 festgelegten Sparziele und Steuergesetze, was zu Einnahmeausfällen vor allem zu Beginn 2013 führen wird.

Abschließend warnt der Haushaltsrat - von seinem eigentlichen Job abweichend -, dass "manche der Maßnahmen" für 2013 die "Möglichkeiten für Wachstum verringern" und so "den gesamtökonomischen Ausblick für 2013 verschlechtern." Doch haben wir vom großen Vorsitzenden gelernt, dass "wir im Moment kein Geld für Wachstum haben" (wegen der Europäer, die nicht mit Geld umgehen können.) Ganz entgegen der Regierungslinie ist auch die Kritik an der längst beschlossenen Finanztransaktionssteuer, die kredithemmend wirke und so Wachstum verhindere (ein billiges neoliberales Standardargument, die tatsächliche Kreditklemme in Ungarn hat ganz andere Ursachen...)

Der Rat weist weiterhin daraufhin, dass man die äußeren Risiken - also z.B. eine weitere Erschütterung der Eurozone, Verfall des Forints etc. überhaupt nicht ins Budget eingepreist habe. Ein solches Szenario hat aber die Regierung selbst immer wieder beschworen (auch um die eigene miese Wirtschaftspolitik zu vertuschen), tut aber nichts, um sich gegen sein Eintreten zu wappnen. So müssten allzuviel "Zufälle" zusammenspielen, damit die Regierung das Defizitziel von 2,2% des BIP erreicht.

Fasst man die Einschätzung des Haushaltsrates zusammen, ist davon auszugehen, dass auch das 2013er Budget wieder auf Sand gebaut wurde, auf dem gleichen Sand, dem man den Menschen seit 2010 in Form von Durchhalteparolen, Eigenlob, Versprechungen
und auch faustdicken Lügen in die Augen streut.

 

Das Budget 2013 wird, ebenso wie die vorherigen, mehrfach korrigiert werden müssen und auch wieder mit einer Reihe "kurzfristiger, unorthodoxer" Maßnahmen ist zu rechnen. All das ist pures Gift für Investoren und Arbeitgeber, die unter diesen fortgesetzt halsbrecherischen Vorgaben kaum Geld oder Arbeitskräfte aufs Spiel setzen werden, da kein Unternehmer vernünftig kalkulieren kann, wenn er davon ausgehen muss, dass jedes Quartal neue Steuergesetze verabschiedet werden.

Die Leiharbeitsfirma Manpower veröffentlichte gestern eine Umfrage unter 750 ungarischen Unternehmen: 13% planen bereits fix Entlassungen, 71% keine Änderungen, nur 11% Neueinstellungen. Das klingt weniger nach dem auf CNN durch Minister Matolcsy angekündigtem "ungarischen Märchen", denn nach trister Wirtklichkeit. Es bleibt die nur kleine Hoffnung, dass die Regierung die Ratschläge des Haushaltsrates befolgt und der Realität wie der Wahrscheinlichkeit einen Platz in der Haushaltsplanung zugesteht und sei es letztlich nur im eigenen Interesse der Machtsicherung.

Im Lichte dieser Einschätzung durch den Haushaltsrat stellt sich auch die Frage nach der fachlichen Qualität der Bewertung ungarischer Haushaltspolitik hinsichtlicher “nachhaltiger und struktureller Reformen” seitens der EU-Kommission, die zur Einstellung des Defizitverfahrens gegen Ungarn führte. Wie bereits dargestellt handelt es sich dabei um eine politische Entscheidung.

cs.sz.

 

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