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(c) Pester Lloyd / 42 - 2012   POLITIK 16.10.2012

 

Nationale Feldbestellung

Regierung verschärft verbalen "Kampf um ungarische Erde"

Das Mitte Juli vom Parlament verabschiedete neue Landgesetz enthält nicht nur ein generelles Verkaufsverbot von agrarischer Nutzfläche in Ungarn an Ausländer über 2014 hinaus, sondern auch einen Passus, der die Enteignung all jener Ländereien ermöglichen wird, die nach Ansicht der Gesetzgeber in die Rubrik "Taschenverträge" fallen. Welche das sind, entscheidet die Exekutive. Außerdem soll Großgrundbesitz eingeschränkt werden, zu Gunsten "mittelgroßer Betriebe". Was ist von all dem zu halten?

Der von der Regierung in diesem Zusammenhang wörtlich ausgerufene "Krieg gegen Spekulanten" wird ab März 2013, nach Ablauf einer Amnestiefrist für die Meldung und Aufhebung von "Taschenverträgen" schlagend werden. Mehr zum Thema Taschenverträge im Beitrag "Spekulantenspektakel".

Mit Jungbauern fährt Orbán gerne mal Traktor, mit Ausländern und der Demokratie lieber Schlitten... Letzte Woche in Cegléd.

Dass Orbán mit dem resoluten Gesetz zwangsläufig eine neue Front mit der EU eröffnet, die das Landverkaufsmoratorium an Ausländer letztmalig bis 2014 verlängerte, spielte in den Ausführungen der letzten Zeit keine Rolle, auch fehlt bis heute jede öffentlich erkennbare Maßgabe, was unter "ausländischem Besitz" zu verstehen ist und was unter "illegalen Taschenverträgen". Über Firmenkonstruktionen und Vertragswerke kann nämlich ein Ausländer letztlich durchaus auch legal der Profiteur der Beackerung von Flächen sein, die sich dennoch in ungarischem Eigentum befinden.

Bis 1994 war der Erwerb von Agrar-Flächen in Ungarn möglich, danach immernoch, wenn man bestimmte Nachweise zur direkten Bewirtschaftung und Qualifikation erbracht hatte. Die letzteren Regeln wurden, vorher schon lokal unterschiedlich gehandhabt, seit Amtsantritt der Fidesz-Regierung immer mehr ausgehebelt, die Genehmigungen sind seit diesem Jahr praktisch gänzlich zum Erliegen gekommen.

Während viele österreichische Bauern wegen der unsicherer werdenden Rechtslage nun um ihre jahrelang geschaffenen Werte und Investitionen fürchten, müssen sich die ungarischen Beteiligten um den Abzug von Know how und den Abbruch von Absatzmärkten sorgen. Ungelöst bleibt durch die neue Gesetzgebung nämlich die eigentliche Spekluation mit Grund und Boden, die meist durch Insider in Verbindung mit kommunalen Strukturen von Statten geht und nichts mit Landwirtschaft, eher schon mit Umwidmung von Flächen zu tun hat. Hierbei geht es jedoch nicht um eine Verlagerung des Eigentums von In- an Ausländer, sondern um die Umleitung von öffentlichem Eigentum in privates.

Bei der argumentativen Untermauerung der oben genannten neuen Gesetzeslage brachte Premier Orbán, wie schon bei seiner Blut-und-Boden-Rede in Ópusztaszer, wieder das ungarische Blut ins Gespräch. „die Liebe und der Respekt für den heimatlichen Boden liegen den Ungarn in den Genen”, verkündete er anlässlich der Eröffnung einer neuen Molkerei des Lebensmittelmagnaten und OTP-Bankchefs Csányi. Diese Liebe ist, wie fortlaufend berichtet, derzeit besonders bei Parteigängern der Regierungspartei ausgeprägt. Und gerade der als Vorbild umworbene Regionaloligarch Csányi, Platz 2 in der Liste der reichsten Ungarn, ist ein Parade-Beispiel eines nimmersatten Großgrundbesitzers, der mit seiner Holding vorzugsweise vorher in Bedrängnis geratene Pleite-Unternehmen billig aufkauft und sich dabei bester Kontakte in sämtliche Regierungs- und Behördenkreise bedient.

Daher liegt es für die meisten Beobachter auf der Hand, dass das neue Bodengesetz nur in zweiter Linie die angekündigte "back to the roots"-Offensive für ungarische Jungbauern ist, die die Wirtschaft "zurück auf die eigenen Beine" stellen soll, wie es in der neuen Strategie für den ländlichen Raum vom Januar des Jahres heißt. Eher schon geht es um die Kontrolle über die Verteilung, die Zuteilung an Günstlinge sowie eine national-politische PR-Aktion im Rahmen der "nationalen Revolution", die von Fidesz-KDNP postuliert wurde.

Die Rechtssicherheit für die Akteure wird verringert, ministerielle Dekrete, letztlich also exekutive Willkür wird am Ende definieren, was legal und illegal ist. Gleichzeitig ist eine Welle von Gerichtsprozessen ab dem kommenden Frühjahr zu erwarten. Wie schon in anderen Fällen, ist auch hier davon auszugehen, dass Urteile, die nicht den Willen der Regierung spiegeln, auch durch retroaktive Gesetzsänderungen hinfällig gemacht werden. Gerade erlebten wir selbiges bei einem regierungsseitig installierten Preiskartell in der Landwirtschaft.

Ein besonders krasses Schlaglicht auf die bigotte Motivlage der Regierungspartei in der Landwirtschaft wirft ein aktuell von den ungarischen Grünen, LMP, eingebrachter Gesetzentwurf, wonach es Amtsträgern und öffentlich Bediensteten verboten werden soll, Häftlinge und Teilnehmer an kommunalen Beschäftigungsprogrammen auf ihren Privatgründen arbeiten zu lassen. Für diese ist nämlich der gesetzliche Mindestlohn außer Kraft gesetzt, was sie billig und daher begehrt macht. Diese Unkultur wurde ausgerechnet vom neuen Kulturminister kultiviert, der auf seinem Weinberg Häftlinge für sich schuften ließ, was ihm gleich bei Amtsantritt einen Rüffel der Opposition einbrachte, mehr aber aber auch nicht.

 

Ungarn habe, so Orbán in seinen jüngsten Ansprachen zum Thema, dank seiner geographischen Lage eine der besten Bedingungen für landwirtschaftlichen Anbau in Europa. Die Regierung werde daher „alles tun, um die Landwirtschaft des Landes zu beleben.” Ganz besonders betonte Orbán in diesem Zusammenhang die Bemühungen der Regierung „zu verhindern, dass ungarisches Ackerland von Fremdbesitzern aufgekauft wird”. Die Ungarn sollen „Landbesitzer und nicht nur Touristen im eigenen Land sein.” Nach Schätzungen sind derzeit ca. 15-20% der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in Ungarn unter der faktischen Kontrolle von ausländischen Bauern und Unternehmen.

Auf einer Konferenz des Jugendverbandes der Ungarischen Bauernvereinigung Magosz in Cegléd lobte er die bisherige Landvergabe über den Nationalen Bodenfonds. Die Anzahl der aktiven Landnutzer konnte dadurch in Westungarn um das 20fache erhöht werden, im Süden des Landes sogar um das 45fache. Sobald die Frage der Taschenverträge geklärt sei, werde es noch mehr verfügbare Flächen für junge Landwirte geben. Die neue Generation sollte ihre „Schollen besetzen, ohne die es keine Zukunft gibt“.

Orbán zeigte sich stolz, dass die Nahrungsmittelexporte nach Russland in den letzten zwei Jahren um ganze 70% gesteigert werden konnten. „Das ist unsere Ostöffnung… wir müssen verkaufen, was wir produzieren“. Dass sich im gleichen Zeitraum wichtige Grundnahrungsmittel wie Mehl, Zucker und Futtermais,
zum Teil wetterbedingt, aber auch durch Preiskartelle, Disproportionen in den Kapazitäten, Missbrauch von Flächen für das abcashen von EU-Subventionen und Preisspekulation, in sozial gefährdendem Ausmaß, zum Teil um bis zu 100% verteuert haben, erwähnte er in seiner Erfolgsbilanz jedoch nicht, wie vielfach berichtet, hat die Regierung Orbán die Bodenhaftung in der Ökonomie längst verloren, umso stärker bestellt man das ideologische Feld, zieht man immer tiefere Furchen und Gräben.

 

Die paralmentarische Opposition, namentlich der MSZP-Abgeordnete Zoltán Gögos, können die Ankündigungen zum neuen Gesetz nicht überzeugen. Er sagte in einem Statement, dass die Behauptung des Premierministers, Ausländer würden künftig vollständig davon abgehalten werden, Grundbesitze zu erwerben, lediglich ein „PR-Bluff“ sei. Über Joint ventures sei dies weiter möglich, im Rahmen der EU-Gesetzgebung könne auch Orbán das gar nicht verhindern. Dies sei auch nicht erstrebenswert, denn den ungarischen Angestellten von Landwirtschaftsbetrieben werde es nicht helfen, eigenes Land zu erwerben.

Das Herausdrängen der Ausländer aus der ungarischen Agrarwirtschaft werde keineswegs zu Ertragsverbesserungen und erhöhter Selbstversorgung führen, sondern lediglich zu einer Umverteilung, die nur der Klientel der Regierungspartei in die Hände spiele, nicht aber dem Land nutzen wird. Mit dem Kampf gegen Bodenspekulation habe das alles nichts zu tun. Was Görgös nicht erwähnt, ist, dass seine “Sozialisten” ausländisches Kapital nur zugern benutzten, um durch entsprechende Kooperationen wertschöpfende Kartelle, Lieferketten und Oligopole zu erschaffen, die auch wieder nur einer kleinen Klientel von Nutzen waren, während der einfache ungarische Landmann hier wie dort sehen kann, wo er bleibt.

m.b., e.g.

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