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(c) Pester Lloyd / 51/52 - 2012   WIRTSCHAFT 19.12.2012

 

Traumzahlen

Aktuelle Daten zu Einkommen und Arbeitsmarkt in Ungarn

Das statistische Zentralamt in Budapest, KSH, hat die Zahlen zur Einkommensentwicklung und den Arbeitsmarkt in Ungarn für den Zeitraum Januar bis Oktober 2012 vorgelegt. Reallohnverlust, rezessive Wirtschaft und ein depressiver Arbeitsmarkt sind Fakten, die kaum zu widerlegen sind, die Regierung widerlegt sie trotzdem und schafft sich ihre eigene Realität.

Nach den KSH-Daten sind die Bruttolöhne in der Gesamtwirtschaft, gemessen werden hier Unternehmen ab 5 Mitarbeitern, der öffentliche Dienst und Staatsbetriebe, um 4,5% zum Vorjahreszeitraum gestiegen, in der freien Wirtschaft betrug der Anstieg 7,3%. Die Nettoeinkommen stiegen lediglich um 1,8%, macht bei 5,8% Inflation im Schnitt einen Reallohnverlust von 4%. Die Regierung kommuniziert in ihren Aussendungen regelmäßig nur die Bruttodaten und überschreibt die Jubelmeldungen mit "Einkommen in Ungarn wachsen fortwährend", was nicht wenige an die Berichterstattung zu Kádár- und Honeckerzeiten erinnert.

Es sei sogar ein ganzes Maßnahmenpaket, dass den schwächeren Schichten auf die Beine hilft: die Anhebung des Mindestlohnes (unter der Inflation), die "Werthaltung" der Renten (5,4% knapp unter der Inflation), 10% Preissenkung bei Strom, Gas und Fernheizung. Rechnet man die Vielzahl erhöhter und neuer Verbrauchssteuern (von Telefonier- bis Finanztransaktionssteuer), die im zweistelligen Bereich angesiedelte Teuerung bei lebensnotwendigen Waren des täglichen Bedarfs sowie die sich durch die abtenteuerliche Finanzpolitik verteuernden Forex-Kreditraten, die praktisch jeden zweiten ungarischen Haushalt belasten, dagegen, bleibt bei fast allen "Durchschnittsungarn" ein fettes Minus hängen - zum dritten Mal in Folge in der Amtszeit dieser Regierung.

Dass an den Angaben der Regierung etwas nicht stimmen kann, wenn der aktuelle EU-Armutsbericht Ungarn bei der Tendenz als eines der Schlusslicher der Gemeinschaft aufweist, liegt auf der Hand. Den anhaltend negativen Trend der Wirtschaft mag man dabei noch auf "globale" Umstände schieben können, die ständische, eigentlich asoziale Klientelpolitik (16 Flat tax für alle), geht aber auf die Kappe der Herren von Fidesz. Die Beispiele Slowakei und Polen belegen, dass es auch anders geht.

Mindestlohn ist die Regel

Der Einkommensdurchschnitt aller Vollzeitbeschäftigten wird mit 219.500 Forint (760.- EUR nach heutigem Kurs) brutto pro Monat angegeben, im öffentlichen Dienst (ohne die rund 100.000 Menschen in kommunalen Beschäftigungsprogrammen) lag er bei 211.700 Forint (735.- EUR) in der Wirtschaft bei 229.800.- (798.- EUR). Die besten Gehälter wurden im Schnitt in der Finanz- und Versicherungswirtschaft bezahlt (454.000.- bzw. 1.577.- EUR)), gefolgt vom IT- und Kommunikationssektor (405.000.-, 1.406.-), die Energiewirtschaft folgt mi 387.000 Durchschnittsbrutto. Am anderen Ende der Gehaltsskala finden sich die Landwirtschaft und Fischerei (160.000 brutto bzw. 555.- EUR für einen Vollzeitarbeitsplatz), das Gesundheits- und Sozialwesen (150.000) sowie die Hotelerie / Gastronomie (139.000 482.- EUR).

 

Abzüglich Sozialabgaben und Lohn- bzw. Einkommenssteuer blieb dem statistischen Durchschnittsangestellten ein Nettolohn von 141.800 (493.- EUR), eine Zahl, die sich schon allein bei der Aufteilung in körperliche und Büroarbeit sehr relativiert. Während letztere im Schnitt 187.000 netto (650.- EUR) einbrachte, war händische Arbeit nur mit 99.100 (345.- EUR) dotiert, also knapp über dem gesetzlichen Mindestlohn. Dazu ist aber anzumerken, dass rund 70% der Einkommen in den untersten Lohngruppen, sprich zum gesetzlichen Mindestlohn von 93.000 HUF brutto angesiedelt sind, das Medianeinkommen also wenig über den tatsächlichen Durchschnitt aussagt. Die meisten dieser prekären Arbeitsverhältnisse finden sich zudem in den kleinen Betrieben, die, so sie unter 5 Personen beschäftigen, nicht einmal in der Statistik aufscheinen, was diese weiter verzerrt.

Beschäftigung durch Umbenennung

Ein ähnliches Auseinanderdriften von Wunsch und Wirklichkeit gibt es auf dem Arbeitsmarkt. Im November 2012 kann das Ungarische Arbeitsamt nur 8.600 neu geschaffene Stellen außerhalb kommunaler Beschäftigungsprogramme melden, der niedrigste Stand seit Dezember 2009. Auf Monatsbasis sank die Zahl der offenen Stellen um 20%, vor einem Jahr betrug dieser Rückgang 17%. Die Zahl der registrierten Arbeitssuchenden (nicht gleichzusetzen mit als arbeitslos Registrierten) stieg übers Jahr um weitere 2% auf 536.000 Menschen.

Die Regierung titelt hingegen "160.000 mehr Menschen in Arbeit seit 2010." und das auch in ihren englischsprachigen Verlautbarungen, damit es die ganze Welt weiß. Doch die Fakten sind völlig andere: binnen eines Jahres wurden in der freien Wirtschaft (inkl. Staatsbetriebe, aber ohne budgetfinanzierte Unternehmen) mehr als 45.000 Stellen netto abgebaut. Das KSH registrierte nur einen Rückgang von 35.300 Stellen, misst aber, wie gesagt, auch nur in Unternehmen mit mindestens fünf Angestellten. Der öffentliche Dienst beschäftigt zu Ende Oktober 751.000 Mitarbeiter, 15.900 mehr als im Vorjahreszeitraum, allerdings sind 90.000 davon zwangsverpflichtete Billigarbeiter in kommunalen Beschäftigungsprogrammen.

Die anderen, die die Regierung "mehr in Arbeit" sieht, bestehen aus jenen unglücklichen Frührentnern, die einfach zu "Gehaltsempfängern" umdeklariert und dadurch steuerpflichtig wurden, so gelten sie nun als beschäftigt. Für das kommende Jahr sind weitere Änderungen an den statistischen Auswertungen vorgesehen, nach Stand der Dinge, ist das auch die einzige Möglichkeit für die Regierung, die kürzlich wieder angekündigte "baldige Vollbeschäftigung", mit neuen “Traumzahlen” wenigstens numerische Wirklichkeit werden zu lassen.

Warum in der ungarischen Wirtschaft nichts vorwärts geht.

cs.sz.

 

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