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(c) Pester Lloyd / 12 - 2013   POLITIK 21.03.2013

 

Äußerer Druck und innere Werte

Rassistischer Fernsehmann in Ungarn gibt Preis zurück
/ Von den Wandlungen eines Ministers

Was ist von einem Minister hinsichtlich seiner Verantwortung für die "Romaintegration" zu erwarten, der kein Problem damit hat, Menschenverächter auszuzeichnen und Rassisten in den eigenen Reihen ohne Protest zu dulden? Zoltán Balog legte binnen weniger Jahre eine beachtliche und beängstigende Karriere und Wandlung hin. Daran ändert auch die forcierte Preisrückgabe nichts, bei der der Ex-Ausgezeichnete nochmal ein paar Schmankerln seiner Rhetorik brachte.

Viktor Orbán und Zoltán Balog beim Austausch von Nettigkeiten im Rahmen einer Rede zur Lage der Nation

Der rassistische Fernsehjournalist Ferenc Szaniszló ist der schriftlichen Bitte Minister Balogs nachgekommen und wird seinen am 14. März überreichten Táncsics-Preis zurückgeben. Balog stellte den Vorgang der Auszeichnung zuvor in einer umständlichen Rechtfertigung als einen Betriebsunfall dar. Die Rückgabe ging natürlich nicht ohne Opfergestik und entsprechende Verschwörungstheorie ab. In seinem Sender Echo TV leugnete Szaniszló alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe, ein Rassist und Antisemit zu sein, bezeichnete seine Kritiker als Lügner.

Er bedauerte den Minister für Humanressourcen, der unter dem "enormen Druck globaler Kräfte" stehe, die "im Hintergrund gegen ihn und gegen ganz Ungarn" wirken würden und ihn dazu brachten, ihm erst lächelnd den Preis zu berreichen um ihn kurz darauf wieder zurückzufordern. Szaniszló pries weitschweifig seine eigene Arbeit als Moskaukorrepsondent der Magyar Hírlap in den 80er, noch mehr aber seine Tätigkeit als Kriegsberichtserstatter von den Jugoslawienkriegen und fragte, warum die USA und Israel "solche Angst vor mir haben?". Sie sollten einfach seine Sendungen schauen. Er stehe für Palästina, genauso wie das auch Obama macht. Natürlich, so der "Journalist", ich "habe die Wahrheit über den 11. September gebracht, über den Mord an Kennedy und über den Mörder von Lady Di" (die handelsüblichen Verschwörungstheorien, Anm.) - "und genau das schmerzt sie".

Minister Zoltán Balog hat sich durch sein Verhalten - oder seinen Kontrollverlust - im Zuge der Preisverleihung ein weiteres Mal schwer beschädigt. Zweifel an seinen Fähigkeiten und seinem Menschenbild sind bereits im Zusammenhang mit der ihm anvertrauten Romaintegration angebracht gewesen, in der er wiederholt an den Fakten vorbei falsche Behauptungen über vermeintliche Erfolge aufstellte (vor allem in europäischen Gremien bzw. generell in den Medien), z.B. - wider besseren Wissens - behauptete, es gäbe in Ungarn weder Diskriminierung noch Arten von Zwangsarbeit (Kommunale Beschäftigungsprogramme und ihre rassistische Umsetzung). In einem Interview mit dieser Zeitung sagte er u.a., dass er bei der Lösung der Probleme vor Ort auch auf die Kooperation mit Jobbik-Bürgermeistern setzen müsse, da sie ja gewählt sind und bezichtigte NGOs, Probleme zu schaffen, statt zu helfen. Er machte also schon damals indirekt klar, wer Freund und wer Feind ist.

Minister Balog hat in wenigen Jahren eine beeindruckende Wandlung vom engagierten, evangelischen Pfarrer über einen aufrecht motivierten, jedoch zunehmend überforderten Staatssekretär bis hin zu einem ergebenen Minister und treuen Diener seines Herrn hingelegt, für den auch die Lüge ein Mittel der Politik darstellt. Für die "nationale Romastrategie" erhielt er von Anfang an weder die Unterstützung der Kabinettskollegen, noch ausreichend Ressorucen, letztlich handelte es sich dabei um eine reine PR-Aktion für die EU-Ratspräsidentschaft und das Ruhigstellen kritischer Stimmen. Doch anstatt dies aufzuzeigen, dagegen zu protestieren und notfalls zurückzutreten, gab Balog - zumindest am Ende - kleinbei. Denn gleichzeitig lobte ihn Orbán ständig und beförderte ihn zum "Superminister" und schon zweimal durfte Balog als Warm-up vor Orbáns Rede zur Lage der Nation auftreten, die (inoffizielle) höchte Auszeichnung, die Orbán zu vergeben hat und die Balogs Position im Rudel auch für alle anderen deutlich macht. Dem konnte sich der Mann nicht entziehen.

Die große Romastrategie ist mittlerweile auf Einzelprogramme und regelmäßige Presse-Erfolgsstatements zusammengestrichen. Heute wirken - genau wie unter den Vorgängerregierungen - eine ganze Reihe von "Gießkannen"-Programmen bzw. punktuellen Aktionen, meist EU-finanziert, jedoch ohne eine wirkliche längerfristige Strategie dahinter. Manche Problembereiche - eigentlich die essentiellsten - werden, weil Änderungen nur unter politischen Reibungsverlusten bei der Mehrheitsbevölkerung durchzusetzen wären, völlig ausgeblendet (z.B. die schulische Segregation) oder mit einer Law-and-Order-Politik öffentlichkeitswirksam übertüncht (Közmunka). Die Fidesz-Regierung hat sich zu einer Deckel-drauf-Politik entschieden, nicht dazu, die Probleme bei ihren Wurzeln zu packen oder gar die Betroffenen an der Lösung ihrer Probleme irgendwie zu beteiligen oder teilhaben zu lassen. Selbstbestimmung ist schließlich auch für den Rest des Landes nicht vorgesehen. Wie alles im Lande, hat sich auch die “Zigeunerfrage” dem “Staatsziel” unterzuordnen und das lautet: Machterhalt. Für den ist alles opportun. Deshalb erübrigt sich auch die Frage, ob Orbán, Balog und Co. im Grunde nicht auch Rassisten sind? Sie sind alles und Nichts, wie es gerade gebraucht wird.

Der "Ausrutscher" mit dem Preis ist zwar nur eine kleine Facette, aber im Hinblick auf das dem Minister anvertraute Ressort der "Romafrage" (neben einem halben Dutzend anderen in seinem "Superministerium") doch bezeichnend. Und das nicht nur dahingehend, dass in seinem Ministerium einige Leute an ihm vorbei machen können, was sie wollen.

 

Interessanterweise hinterfragte Balog nämlich die Preise an die beiden anderen Rechtsextremisten nicht, den Sänger der Nazi-Band Kárpátia, der auf Nazi-Festivals von genetischem Abfall und der kriegerischen Revision Trianons gröhlt sowie einen vollkommen durchgeknallten Rassentheologen, für den Jesus kein Jude, sondern Prinz eines mystischen Steppenvolkes - und damit natürlich verwandt mit den Magyaren - war. Offenbar ist deren rassistische, menschenverachtende Weltsicht und/oder ihre Dummheit für den Fidesz-Mann tolerierbar, immerhin kam von dem mittlerweile gänzlich linientreuen Balog auch zum Thema Zsolt-"Zigeuner sind Tiere"-Bayer kein einziges offizielles Wort des Widerspruchs.

So gesehen, sollte Balog den Preis doch Szanislzó überlassen und endlich auch dazu stehen, denn die Forderung nach Rückgabe erfolgte ganz offensichtlich tatsächlich nur auf "äußeren Druck" und nicht aus innerer Einstellung.

red.

 

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