THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 40 - 2013   NACHRICHTEN   01.10.2013

 

Wahlkampfbudget

Entwurf über den ungarischen Haushalt 2014 vorgelegt

Selbst der Chef dese regierungsnahen Haushaltsrates warnt, dass das Budget "sehr knapp" gezimmert ist. Seine Meinung ist ambivalent: die Ziele seien erreichbar, aber die Risiken "signifikant". Das Defizitiziel wird bis zum Anschlag ausgereizt, die Reserven schmelzen, die Unsicherheitsfaktoren sind bei Einnahme- wie Ausgabeposten gewaltig. Doch der Haushalt hat einen Auftrag, der muss in erster Linie mithelfen, die Wahlen zu gewinnen...

Ein großer Stapel Papier: Entwurf zum Staatshaushalt 2014.

Die Eckdaten des ungarischen Staatsshaushaltes 2014 wurden am Montag dem Parlament vorgelegt: Darin wird von folgenden Annahmen ausgegangen:

Einnahmen: 16.000 Milliarden Forint (53,8 Mrd. EUR)
Ausgaben: 16.900 Mrd. HUF (56,9 Mrd. EUR)
Budgedefizit: 2,9% des BIP
Wachstum: +2%
Binnenkonsum: +1,9%
Teuerung: +2,4%
Staatsschuldenquote: 76,9% (-2,8)
Forintkurs: 296,6 je Euro im Jahresschnitt (240,6 CHF, 225 USD)
Renten: + 2,4%
Budgetreserven: 220 Mrd. HUF (740 Mio. EUR), davon 100 Mrd. HUF im "Nationalen Schutzfonds" und 120 Mrd. HUF in einer "Sonderregierungsreserve"; 2013 betrug die Reserve noch rund 530 Mrd. HUF und wurd fast völlig ausgereizt

Zur Einschätzung: der Budgetentwurf für 2014 ist noch knapper kalkuliert als der am Ende acht Mal geänderte Haushalt 2013. Die Anhebung des Defizitiziels um 0,5 Punkte bei einer wachsenden Wirtschaft, zeigt, dass Ungarn es doch nicht so viel besser bzw. anders macht, wie andere Länder der EU, die trotz Wachstums weiter mehr ausgeben als sie einnehmen. Zudem lässt die Größe von 2,9% Defizit keinerlei Spielraum mehr gegenüber der EU-Grenze von 3%, hier beraubt sich die Regierung schon im Entwurf jeder Manövrierfähigkeit, was dann im kommenden Jahr - wie im laufenden - wieder zu einer Reihe Not- und Panikmaßnahmen, sprich Steuererhöhungen für Bürger und Unternehmen führen wird, wenn man nicht erneut ein Defizitverfahren riskieren will, ein Risiko, das Ungarn allerdings nur dann eingeht, wenn es nach den nächsten Wahlen in der EU verbleibten sollte.

Die Wachstumsvorgabe von 2% und die Annahme eines durchschnittlichen Forintkurses von unter 300 / EUR sind auf Sand gebaut, in den Vorjahren hatte man sich dabei so kräftig verschätzt (Vorgabe 283, Tatsache 298), dass die Schuldenquote noch über den Stand der sozialliberalen Regierungen hinausschoss. Bei den Einnahmen gibt es eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren (Kopplung der Registrierkassen ans Finanzamt).

Kein substantielles Wachstum: Landwirtschaft rettet BIP-Werte in Ungarn >>>

Kleine Entlastung für die großen Verlierer der "Revolution"

Der Grund für diese knappe Kalkulation ist offensichtlich: es handelt sich um ein Wahlkampfbudget. Allerdings zielen die meisten der gewährten Wohltaten lediglich auf eine kleinere Abmilderung der Folgen der ab 2010 schrittweise eingeführten Flat tax von 16% auf alle Einkommen, die vor allem die unteren Einkommensschichten durch den Wegfall der Steuerfreibeträge sehr viel Geld gekostet hatte, während die Besservediener Einkommenssprünge von bis zu 40% registrieren durften. Diese asoziale Steuerpolitik riss gleichzeitig ein großes Loch ins Budget, das u.a. verhinderte, dass man u.a. durch die Senkung der europaweit höchsten Mehrwertsteuer wenigstens die Sätze auf Grundnahrungsmittel (18 bzw. 27%) etwas Entlastung schaffen könnte.

Unmenge von Risikofaktoren und Unklarheiten

Die jetzt
gesetzlich zu verankernden Strompreissenkungen (in Summe 20%) sowie Preisdeckelungen für kommunale Dienstleistungen kommen ebenfalls allen zu Gute, sind also wieder sozial unausgewogen. Die daraus resultierenden Steuereinbußen belasten das Budget zusätzlich. Die teuren Langzeitwirkungen der fixen Idee des non-profits bei der Energieversorgung sind natürlich in diesem Budget nicht eingepreist, werden aber unvermeidlich sein.

Völlig unklar ist auch der steuerliche Einfluss der Folgen des noch in diesem Jahr zu verkündenden Zwangsumtausches von Forex-Krediten. Selbst wenn die Banken die Kosten dafür allein trügen, fielen einige Steuermilliarden wegen der höhen Verluste weg. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor stellt der Schuldendienst, speziell jener in Fremdwährungen dar, rund 5 Mrd. EUR müssen in den nächsten Monaten aufgenommen werden, die Zinsshöhe ist bisher nur zu schätzen, jeder Basispunkt mehr sind bei solchen Summen gleich ein paar Millionen (EUR) Mehrkosten. Auch der tückische Forintkurs macht hier regelmäßig einen Strich durch die Rechnung und führte zeitweise sogar zu einer höheren Verschuldung als vor der Fidesz-Regierung. Außerdem plant die Schuldenagentur sogar die Anleihenausgabe in diversen asiatischen Währungen von der türkischen Lira bis zum Yen.

- rund 100.000 Forint soll sich "jede ungarische Familie" im kommenden Jahr durch die Energiepreissenkungen ersparen, das macht bei konservativ angenommenen 3,3 Mio. Familien 330 Mrd. Mindereinnahmen für die Energieversorger, also rund 1,1 Mrd. EUR, was sich in ca. 150 Mio. EUR weniger Steuern und Abgaben niederschlägt

- rund 53 Mrd. HUF kosten die erhöhten Steuerfreibeträge für Familien mit Kindern, die, wie erwähnt, nur einen Teil der früheren Steuerbefreiung zurückbringen

- es gibt eine Rückstellung von unbestimmter Größe für die angedachte Reduktion des Mehrwersteuersatzes für Schweine- und Geflügelfleisch auf 10% (kein Mensch weiß, warum Orbán-Intimus Lázár ausgerechnet diese Produkte auswählte, andere, wichtigere aber nicht, zumal der Satz EU-technisch nicht surchsetzbar wäre, die EU erlaubt nur 3 verschiende Mehrwertsteuersätze)

- für gebärwillige Studentinnen und deren Partner werden Nachlässe bei Studentenkrediten von bis zu 4 Mrd. HUF eingeplant

- Lohnerhöhungen für Lehrer (hier mehr dazu) schlagen mit 132 Mrd. zu Buche

- 30 Mrd. HUF kosten die zusätzlich zu besetztenden "Stellen" in den Kommunalen Beschäftigungsprogrammen (bis dato 237.000)

- eine Art Herdprämie ab 1.1. 2014 ist bereits verankert, also Zuzahlungen für Mütter, die ihre Kinder zu Hause betreuen wollen

 

Die Regierungspartei lobt den Entwurf, für alles mögliche inkl. Bildung, Soziales etc. werde "mehr ausgegeben" als im Vorjahr, was nicht mehr ganz so stimmt, wenn man die niedrigere Berechnungsgrundlage aufgrund des vorvorjährigen Kahlschlags in Betracht zieht. In der Hochschulbildung hatte man 2012 z.B. 40% weniger zur Verfügung als 2010, weshalb man 2013 dann mit einer Steigerung von 15% u,ä, prahlen konnte. Ganze 8% so Fidesz-Fraktionschef des Budgets flössen in "Wirtsschaftsförderung". Abfließen wäre der richtige Begriff, denn von dieser Förderung profitieren überwiegend die Günstlinge der heute Regierenden.

Selbst der Chef dese regierungsnahen Haushaltsrates warnt, dass das Budget "sehr knapp" gezimmert ist. Seine Meinung ist ambivalent: die Ziele seien erreichbar, aber die Risiken "signifikant". Die MSZP-Opposition sieht in allem ein einziges Kartenhaus, zumal jedes Budget der letzten drei Jahre die "Menschen immer ärmer" gemacht habe". Die Investitionsrate des Landes liege heute 25% niedriger als vor fünf Jahren, was auch Auswirkungen auf die kommenden Jahre haben wird, Fidesz solle daher in sich gehen, anstatt ständig von Erfolgen zu reden.

cs.sz. / red.

Konjunkturmotor Hochwasser?

Industrie scheut Investitionen in Ungarn

4,6% mehr Investitionen als vor einem Jahr: die Regierung jubelt sogleich von einer "Höheren Wachstumrate als vor der Krise" und sieht einen weiteren Beleg dafür, dass "Ungarn es besser macht". Doch ein näherer Blick auf die Zahlen zeigt, dass man sich das "Wachstum" schönredet. Niedrige Basiswerte, EU- und steuerfinanzierte Projekte und ein Stand by in den Schlüsselbranchen helfen nur der PR, nicht der Wirtschaft.

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