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(c) Pester Lloyd / 51 - 2013 WIRTSCHAFT 19.12.2013
Update Steuerskandal Ungarn: Hausdurchsuchung bei Aufdecker Horváth
Das Imperium schlägt zurück: Gegen den ehemaligen Mitarbeiter des ungarischen Zoll- und Finanzamtes NAV, András Horváth, der mit schweren Vorwürfen des systematischen, amtlich begünstigten Steuerbetrugs durch Mehrwertsteuerkarusselle und illegale Steuerrabatte für große, auch ausländische Unternehmen in der Größenordnung von über 3 Milliarden Euro jährlich, seit Wochen für Aufsehen sorgt, geht jetzt die Polizei vor.
(Chronologie der Ereignisse mit allen Links am Ende des Textes.)
Ex-NAV-Mitarbeiter András Horváth. Erst im Visier der Medien, jetzt im Visier der Polizei. Hat er wirklich so brisante Daten oder ist alles nur ein PR-Gag der Opposition?
Auf Basis einer Anzeige des Finanzamtes gegen Horváth, wegen Verleumdung und Missbrauch von Amtsdaten sowie Verstößen gegen den Datenschutz, unternahmen zwei Dutzend Beamte am Donnerstagmorgen eine Hausdurchsuchung und bechlagnahmten u.a. eine Computerfestplatte sowie mehrere Dokumente, darunter auch jene "grüne Mappe", die die Namen der in die mutmaßlichen Betrügereien verwickelten NAV-Mitarbeiter und Unternehmen beinhalten soll. Die Hausdurchsuchung vwurde vom Zentralen Ermittlungsbüro des Innenministeriums angeordnet.
Die Abläufe machen - sozusagen generalpräventiv - deutlich, was einen Insider erwartet, der es wagt "das System" in Frage zu stellen. Horváth hatte seinen Job gekündigt, als er bei seinen Vorgesetzten auf taube Ohren stieß. Bereits vor zwei Jahren hatte er Briefe an Regierungsvertreter geschickt, ohne Reaktion. Anfang November übergab inkriminierende Akten der Staatsanwaltschaft und machte die die Öffentlichkeit ohne Nennung von Namen mit den Vorwürfen vertraut, die übrigens sowohl die Fidesz- wie die Vorgängerregierungen, also MSZP/SZDSZ betreffen.
Während die heutige Opposition mehrfach versuchte, das Thema im Parlament untersuchen zu lassen, es über eine unverbindliche Anhörung in einem Unterausschuss und in Abwesenheit der Regierungsparteien nicht hinaus schaffte, hält die Regierungspartei die Angelegenheit allein für eine Sache der Strafverfolgungsbehörden. Die Staatsanwaltschaft allerdings nahm keine Ermittlungen auf, sondern gab den Fall an die örtliche Polizei zur weiteren Bearbeitung zurück. Das Finanzamt selbst hatte bei einer "internen Prüfung" "keinerlei Unregelmäßigkeiten" feststellen können und erstattete, wie oben berichtet, Anzeige gegen den Ex-Mitarbeiter. Gleichzeitig betreibt die regierungsnahe Presse eine Diffamierungskampagne gegen den Kronzeugen, er soll als U-Boot der Opposition dargestellt werden.
Horváth hatte angekündigt, in Kooperation mit dem ung. WikiLeaks die Akten - und damit die Namen und konkreten Vorfälle - zu publizieren, sollten die Ermittlungen im Sande verlaufen. Premier Orbán merkte zu dem Fall lediglich an, dass der "Platz von Steuerhinterziehern im Gefängnis" sei, er aber keine konkreten Daten vorliegen habe. Laut den Briefen Horváths waren sowohl Fidesz-Fraktionschef Rogán, der zuständige Steuersstaatssekretär als auch Wirtschaftsminister Varga seit knapp 2 Jahren informiert.
Horváth wird nun nicht umhin kommen, die vorgebrachten Fälle und die dahinterstehenden Personen und Strukturen konkret zu benennen, sprich seine Dokumente zu veröffentlichen. Das Signal an alle öffentlich Bediensteten seitens der Staatsmacht indes ist deutlich: wer das System in Frage stellt, den wird es vernichten. Verbrechensaufklärung ist, sobald die Regierung oder ihr untergeordnete Stellen darin verwickelt ist: "Datenmissbrauch"...
cs.sz.
Steuerskandal - Chronologie der Ereignisse
29. November Regierung und Finanzamt beginnen mit Demontage des Kronzeugen
28. November Wegdelegiert: Kein Interesse an Aufklärung? Steuerskandal war Thema im Parlament
25. November "Betrug regierungsübergreifend": Demonstration vor Finanzamt wegen Steuerskandal
20. November Fidesz-Fraktionschef seit zwei Jahren informiert, Orbán: EU ist Schuld
15. November Staatsanwaltschaft verschleppt, NAV leugnet, Kronzeuge droht und fürchtet sich
14. November Verbrechenszentrale Finanzamt? Ex-Fahnder: Steuerbehörde und Politikdecken und organisieren Milliardenbetrug
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