THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 12 - 2014   WIRTSCHAFT 20.03.2014

 

Nationalrausch

Regierungspartei in Ungarn auf Einkaufstour: Folgt dem Tabak- nun das Schnapshandelsmonopol?

Die Hinweise darauf, dass auch der Spirituosenhandel in Ungarn bald einem "Staats"-Monopol unterliegen soll, verdichten sich. Das führende unabhängige Nachrichtenportal HVG.hu berichtet unter Bezugnahme auf regierungsnahe Quellen, dass ein entsprechendes Gesetz noch in diesem Jahr geplant ist, man aber vor den Wahlen keine Unruhe unter der trinkfreudigen Wählerschaft stiften wollte. "Jugendschutz" und "Volksgesundheit" dienen wieder als Vehikel für die Selbstbereicherung der Nomenklatura.

Plakatsujet für eines der großen Pálinka-Festivals in Budapest. Wird dort nach Einführung eines Monopols nur noch Saft ausgeschänkt oder deklariert man das Fest einfach zum partiellen Nationalfeiertag? - Immerhin: die Frauen braucht man sich in Ungarn wirklich nicht schön saufen, sie sind es von Natur aus, womit wir - wie vielfach von unserer interessierten Leserschaft gefordert - “auch mal was Positives” über das Land geschrieben hätten.

Die Umsetzung soll sich in etwa am berühmt-berüchtigten Tabakhandelsmonopol orientieren, bei dem fast ausschließlich Fidesz-Günstlinge, Funktionäre und deren Umfeld bei der Ausschreibung der rund 5.000 Lizenzen zum Zuge gekommen sind, eine gesetzliche Gewinngarantie und die massive Beschneidung der Informationsfreiheit der Bürger inklusive. Die Insider berichten in der HVG davon, dass alle harten Schnäpse, also Pálinka, Whisky, Wodka, etc., aber auch Liköre und Bitter unter das Alkoholhandelsmonopl fallen sollen, während Wein und Bier weiter im normalen Handel verkauft werden dürften.

Rund 6.000 bis 7.000 staatlich lizensierte Verkaufsstellen sind geplant, also rund die Hälfte mehr als Tabakläden, wobei auch die Inhaber von Tabakhandelslizenzen mitbieten dürfen sollen, deren exklusives Portfolio über die Jahre noch auf Lotterielose, ungesunde Lebensmittel, Presseerzeugnisse, Kondome und andere, das Volk gefährdende oder irritierende Produkte ausgeweitet werden könnte. Orbán-Adjutant János Lázár und “Vater des Tabakmonopols”, hatte bereits 2012 davon gesprochen, dass er sich "gut vorstellen könne", ein Handelsmonopol auch für Alkohol zu installieren, freilich nur im Interesse des Volkes, so wie es auch bei der Umfunktionierung der Spargenossenschaften in Fidesz-Gelverleihbüros, der Verstaatlichung der Energieversorger und dem neuen Bodengesetz samt der Neuvergaben stets ausschließlich um die Interessen der Bürger geht.

Im Zuge der Umsetzung müssten sich auch Gastronomiebetriebe um eine gesonderte Lizenz bemühen, die ihnen den offenen Ausschank für bestimmte Zeiten erlaubt, nicht aber z.B. den Außer-Haus-Vertrieb. Der Großhandel würde auch unter staatliche Kuratel gestellt, überlegt wird noch, ob man auch Handelsketten mit gesonderten Verkaufszonen lizensieren könnte - wobei man dabei vor allem an die CBA denkt, deren Management sich um die Nation besonders "verdient" gemacht hat.

Begründet werden soll das Monopol einmal mehr mit "Jugendschutz" und der "Eindämmung von Schwarzhandel und Steuerbetrug". HVG weist auf die Absurdität dieser Begründung hin, denn angesichts der steuerbefreiten Privatbrennerei von Pálinka, ein Privileg, das von der Regierung als freiheitliches Grundrecht der Ungarn pathetisch verteidigt wird, ist harter Stoff praktisch in jeder Familie verfügbar.

In ihrer Kampagne wird die Regierung daher auf ähnliche Systeme in anderen Ländern der EU, z.B. Schweden, verweisen, die noch strikter sind und wo man außerhalb der Öffnungszeiten der Staatsgeschäfte, der Systembolaget, nicht einmal mehr eine Flasche Wein aus der Pizzeria mitnehmen kann (darf) und an Tankstellen und Supermärkte nnur das "Volksbier" mit 2,8-3,5 Umdrehungen bekommt.

Doch auch das schwedische Alibi müssten sich die Regierungspropagandisten erst schön saufen, denn die staatlichen Alkoholverkaufsstellen in Schweden sind rein staatlich und nicht über Lizenzen an Privatleute vergeben, die Verkäufer also öffentlich Bedienstete. Es gab zwar einmal anderslautende Planungen, die aber im transparenten Schweden genau wegen der Missbrauchs- und Korruptionsmöglichkeiten wieder fallen gelassen werden mussten. Außerdem sorgte ein EuGh-Spruch von 2007 dafür, dass der private Import von Spirituosen nicht mehr vollständig sanktioniert werden kann, weil dies dem Gebot des freien Warenverkehrs in der EU zuwiderlaufe. Daraufhin stürzten die Verkäufe in den Staatsschänken ab, ebenso die daraus resultierende Steuer.

 

Diesen Effekt erlebten die Ungarn bereits auch mit Tabakwaren, deren Umsatz seit Einführung des Handelsmonopols um gut ein Drittel sank, weil sich die Leute im Schwarzhandel oder über den kleinen Grenzverkehr versorgten, was hohe Steuerverluste zeitigte, ohne die anvisierten Effekte von Jugendschutz und Volksgesundheit zu zeitigen. Um gegenzusteuern, wurden Zigaretten in den staatlichen Läden erhöht, was die negativen Effekte weiter befeuerte. Auch ein Alkoholhandelsmonopol eignet sich - neben der Versorgung verdienter Kader und Mitkämpfer - zumindest schubweise als Steuerschraube.

Dennoch: ein internes Papier sagt aus, dass die Einkünfte aus den mit alkohlischen Getränken verbundenen Steuern von 150 Mrd. HUF (500 Mio. EUR) im Jahr auf 40-50 Mrd. absacken könnten. Die interne Studie weist auch darauf hin, dass die Zunahme des Schwarzhandels oder Imports für den Eigenbedarf Arbeitsplätze in Ungarn kosten wird. Auch viele kleine ABC´s (die oft bis spät, manchmal rund um die Uhr geöffneten privaten Tante-Emma-Läden) leben, je nach Soziotop, zu einem großen Teil vom Spritverkauf, der ganz andere Handelsspannen als Milch oder Semmeln bietet.

Weil man sich "nicht sicher ist, wie das Volk" auf diese erneut offenkundige Aneignungsaktion der Regierungspartei reagieren werde, erwähnte man den Plan nicht vor den Wahlen, zitiert HVG seine Informanten. Immerhin betrifft der Schnaps, im Unterschied zum systemischen Raub der EU-Milliarden oder dem Tabak das tägliche Leben des ganzen Volkes, daher wollte man hier kein Risiko fahren. Es wird nicht die einzige Überraschung bleiben, die die Ungarn von ihrer Regierung des nationalen Rausches nach den Wahlen noch erwarten dürfen.

red., cs.sz.

 

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