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(c) Pester Lloyd / 29 - 2015     POLITIK    18.07.2015

 

Hilfe nur für “Ungarn”: Flüchtlingswelle "Waterloo für Europas Linke"

Orbáns Kanzler, der omnipräsente János Lázár, hat am Samstag in einem Interview mit der "Napi Gazdaság", dem neuen Zentralorgan des Fidesz, klargestellt, dass die Regierung Hilfen und Schutzrechte für ausländische Bürger ganz offen an völkischen Kriterien ausrichtet. Während man gegen Kriegsflüchtlinge aus anderen Teilen der Welt Zäune errichtet, will man notfalls "jeden Ungarn aus der Ukraine" aufnehmen.

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Szene von der aktuellen Wiedererrichtung des Eisernen Vorhangs in Südungarn. Forot: MTI.

Orbán spricht beim Thema der (nicht existenten) "Einwanderung" nach Ungarn von "brauchen wir nicht, wollen wir nicht", Flüchtlinge wurden von ihm und nun bald auch per Gesetz zu Verbrechern und Terroristen qualifiziert, auch Minderjährige unmenschlichen Umständen ausgeliefert, sie jeden Tag aufs Neue beschimpft und sie durch immer neue Repressionen gedemütigt. Die Empathie gegenüber "ethnischen Ungarn", die sich in einer Gefährdungslage befinden könnten, ist deutlich höher.

 

"Wenn den Ungarn in Transkarpatien (Westukraine) Leid geschieht und diese fliehen müssen, werden wir allen helfen und jeden von ihnen bei uns aufnehmen", so Lázár in der Zeitung, die erst kürzlich von seinem Buddy von der Tabakfirma Continental übernommen wurde. Lázár spielte damit auf die sich verschärfende Situation in der Westukraine an, seit sich Kämpfer des "Rechten Sektors" offene militärische Auseinandersetzungen mit lokalen Strukturen und Regierungstruppen liefern, die sich künftig in eine Art Mafia-Partisanenkrieg auswachsen könnten.

Die anderen Flüchtlinge, die nach Europa strömen, würden, im Gegensatz zu "den Ungarn im Karpatenbecken", "eine ernsthafte Bedrohung der Lebensqualität der Menschen in Europa" darstellen. Eine gewagte Aussage, angesichts 45% Menschen an und unter der Armutsgrenze und einer
systematischen Verelendung in Ungarn. Interessant auch deshalb, weil rund 50.000 der geschätzt 150.000 Karpatoungarn in den vergangenen Jahren bereits großzügig und umstandsfrei mit ungarischen Pässen ausgestattet wurden (insgesamt erhielten 700.000 Ungarn im Ausland den Pass). Die meisten nutzen diesen EU-Pass jedoch nicht, um in die "alte Heimat" zu emigrieren, sondern, um in den Westen auszuwandern oder höchstens kostenlose, medizinische Versorgung in den Grenzgebieten in Anspruch zu nehmen - sehr zum Ärger der Einheimischen.

Natürlich sei das Hauptziel "den transkarpatischen Ungarn in ihrer Heimat ein gutes Leben zu ermöglichen", wozu die "Regierung auch ein neues Hilfsprogramm" auflegen wird. Dieses soll sicher stellen, dass jeder "ungarische Lehrer in Transkarpatien eine ausreichende Bezahlung, jedes Kind eine Mahlzeit am Tag und Hilfe in schwierigen Situationen bekommt." - Leistungen also, von denen Hunderttausende Kernungarn heute nur zum Teil träumen können. Ungarn bekenne sich weiterhin dazu "alle Ungarn zu schützen" und erwarte vom ukrainischen Staat, dass auch der jeden seiner Bürger schützt.

Im Weiteren führte Lázár aus, dass "die heutige Flüchtlingswelle das Waterloo der gesamten europäischen Linken" darstelle, die über Jahrzehnte zu sorglos mit dem Problem umgegangen sei und nun müssten allen feststellen, dass "Wirtschaftsflüchtlinge" ein nicht tragbares Problem in Europa würden. Denn: "sie wollen von den lokalen Unterstützungen leben, ohne etwas dafür zu tun." Er wisse nicht, ob es dem Westen nutzt, in Afghanistan, Syrien, Somalia oder Nordafrika nach möglichen Gastarbeitern zu suchen, für Ungarn sei das freilich keine Option, zumal in den Nachbarländern überall Ungarn leben. (Es sind nach modernen Kriterien freilich Rumänen, Slowaken, Serben mit ungarischen Wurzeln.)

 

Dass in den aufgeführten Ländern - und Ostafrikas und des Mittleren und Nahen Ostens Krieg und Verfolgung herrschen, (die nun nicht gerade von der "europäischen Linken" angezettelt wurden), erwähnte Orbáns rechte Hand mit keinem Wort, was nicht verwundert, hat Ungarn ja mit seinen neuesten Gesetzen das Recht auf Asyl und ein entsprechendes Verfahren praktisch abgeschafft bzw. der willkürlichen Begutachtung der Grenzpolizei überlassen. Ungarn verstößt damit gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, gegen Schengen- und andere EU-Regeln ohnehin. Lázár lieferte nun das Motiv nach: blanker, menschenverachtener Nationalismus. Und es wird sich noch herausstellen, für wen diese Situation letztlich zum “Waterloo” wird.

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cs.sz.



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