THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

 

Hauptmenü

 

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 26 - 2014 POLITIK 27.06.2014

 

Keine Konsequenzen: Minister in Ungarn als Drehscheibe von EU-Geldwäsche und Steuerhinterziehung überführt

Alle drei linken Oppositionsparteien im Parlament (MSZP, E2014, DK) fordern einhellig die sofortige Absetzung des neuen - und zentral für die Abwicklung der EU-finanzierten Projekte zuständigen - Entwicklungsministers Miklós Seszták. Dass Seszták im Bereich windiger Firmenkonstruktionen zur Abgreifung von EU-Fördermitteln und öffentlichen Aufträgen im Dunstkreis von Fidesz-Günstlingen tätig war, wusste man bereits lange vor seiner Ernennung. Doch die jetzt offengelegten Details zeigen Dimensionen, die alles bisher Bekannte in den Schatten stellen.

Der Minister und einer der Verträge zur Gründung einer Briefkastenfirma mit seinem Anwaltsstempel darauf

 

Nach Recherchen des Online-Portals index.hu war Seszták an der Gründung - und später wieder Abwicklung - von mindestens 700 Unternehmen als Anwalt beteiligt, die alle an der gleichen nordostungarischen Adresse gemeldet waren bzw. sind, deren Eigentümer wiederum ausländische Gesellschaften bzw. Personen - gerne auch in Steueroasen - sind, die weder für das ungarische Rechtssystem noch den Fiskus greifbar waren oder je sein werden. Sobald die Unternehmen in Ungarn steuer- oder rechenschaftspflichtig wurden, gingen sie entweder insolvent oder wurden geschlossen, allein daraus seien "etliche Hundert Mio. Forint Schaden" (308 Mio. HUF = 1 Mio. EUR) entstanden, rechnen die Journalisten vor.

Belegt ist auch, dass etliche dieser vom heutigen Minister Szeszták gegründeten Unternehmen EU-Gelder über Ausschreibungen erhielten, die sich auf mehrere Hundert Millionen Euro summieren (
ein konkretes Beispiel wie das Szeszták-System funktioniert, lesen Sie hier). Die meisten Unternehmen sind mittlerweile per gerichtlicher Anweisung geschlossen bzw. stillgelegt worden, der Schaden - also Steuerausfälle und fehlgeleitete EU-Millionen - bleibt indes bestehen.

Die Oppositionparteien sprechen in ihrer Rücktrittsforderung von der "mafiaartigen Natur der Orbán-Regierung", die es möglich macht, dass "solche Gestalten" wie Szeszták zu Ministern werden können. Die Finanzbehörde solle endlich den Gesamtschaden offenlegen, die Staatsanwaltschaft einschreiten. Dass die Staatsanwaltschaft aber reagiert, kann als ausgeschlossen gelten, Generalstaatsanwalt ist Orbáns Vertrauter und Kanzleramtsminister aus der ersten Regierungsperiode, Péter Polt. Sämtliche Versuche, den
Beutezügen eines János Lázár, Viktor Orbán + Freunde und Familie (ein Beispiel von Dutzenden hier) und sonst irgendeines Vertreters der jetzigen Regierungspartei rechtlich beizukommen, wurden bereits im Keim erstickt. Im Gegenteil: der Versuch der Aufdeckung eines großangelegten Systems des amtlich begünstigten Steuerbetruges seitens eines Insiders (Affäre Horváth) endete in der Kriminalisierung und Verfolgung des Informanten.

Durch die Übernahme der Vergabe- und Kontrollbefugnisse über die EU-Milliarden an Kanzleramtsminister Lázár sind die Geldflüsse auch für die kommenden Jahre gesichert. Die EU äußerte Bedenken, verzichtet aber - aus politischer Packelei der EVP-Kumpane - auf Konsequenzen. Allein Norwegen hat sich mit seinen Kohäsions-Fonds dieser Aneignung entzogen und suspendierte am 9. Mai sämtliche Auszahlungen aufgrund des Fehlens eines unabhängigen Kontrollmechanismus`. Mehr dazu.

 

Und Minister Szeszták? Er lässt über seine Pressestelle lediglich ausrichten, dass man die "bösartigen Angriffe auf die Reputation des Ministers zurückweist". Der Herr Minister habe seine "Tätigkeit als Anwalt im Mai beendet" und zuvor "alle Gesetze und Berufsregeln beachtet" - und jetzt kommts: "einschließlich seiner Verpflichtung zur Verschwiegenheit". Klassische Anwaltsmoral: man verdient am Verbrechen der Anderen mit, muss aber keine Konsequenzen fürchten, denn die Gründung oder Liquidierung von Unternehmen ist per se kein Vergehen, was die Eigentümer und Geschäftsführer damit machen, liegt nicht im Verantwortungsbereich des Rechtsvertreters. Über allem anderen steht die anwaltliche Schweigepflicht. Keine weiteren Fragen.

Erst vor wenigen Tagen wurde ein weiteres Regierungsmitglied, der Staatssekretär im Innenministerium Tasnádi als früherer Stasi-Offizier enttarnt. Auch für ihn ergaben sich daraus keine Konsequenzen, da er rein "fachlich, nicht politisch" tätig sei...

red.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.

 

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.