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(c) Pester Lloyd / 18 - 2012     WIRTSCHAFT 03.05.2012

 

Wilde Phantasien

Milliarden aus dem Reich der Mitte: China hat Ungarn als Basislager erkoren

Die Bildsprache der Politiker trägt häufig unfreiwillige Komik und Wahrheit in sich. Orbán sprach beim Besuch einer 200köpfigen Wirtschaftsdelegation aus China von den „starken Winden, die in der globalen Wirtschaft wehen" und dass es, so möglich, besser sei "auf zwei Beinen, statt auf einem zu stehen." Den Facebook-Eintrag ließ der Ministerpräsident tatsächlich mit "Ostöffnung" überschreiben und es sei von nun an klar, dass auch China Ungarn als "strategischen Partner" als "Tor in den Westen" betrachte.

Li Keqiang an Stefans Krone. Dass die hsitorischen Kroninsignien in Ungarn nicht im Museum, sondern im Parlament, dem Tempel der Demokratie liegen, dieses Pradoxon wird die “kommunistische Erbmonarchie” China, das Reich der Pradoxien, kaum verwundern.

Bereits in der Vorwoche trafen sich 15 osteuropäische Staats- und Regierungschefs, darunter auch Viktor Orbán, mit dem chinesischen Premier Wen Jiabao in Warschau. Nun hat der Vize-Premier, Li Keqiang, Ungarn einen Einzelbesuch abgestattet, 200 Wirtschaftsbosse und -funktionäre im Schlepptau. Dabei wurden sieben bilaterale Abkommen geschlossen, diese beinhalten u.a. die Errichtung eines regionalen Logistikcenters für den Elektronikriesen Huawei, kleinere Service- und Lagereinheiten, ein Callcenter, ein Joint venture über eine Hochgeschwindigkeits-Eisenbahntrasse zwischen dem Flughafen und dem Ostbahnhof, Absichtserklärungen über weitere Kooperationen, auch in der Forschung und bei den KMU.

Alternative zu Finanzmärkten und IWF?

Vor allem aber bedeuten sie einen Kredit von zunächst einer Milliarde Euro, offiziell für Infrastrukturprojekte. Die Zinsen dafür sind "unglaublich günstig" und wo das herkommt, gibt es, so erklärte Orbán in übersprudelnder Freude, noch viel mehr davon. "Wir haben da Zugang zu Quellen, die, wenn nicht geradezu unendlich, doch Ungarns wildeste Träume übersteigen...". Das Kalkül hinter den chinesischen Schuldscheinen ist, die internationalen Finanzmärkte sowie den IWF zu beeindrucken und das Signal zu senden, dass Ungarn sich allein und notfalls auch alternativ mit Geld eindecken kann. Das wird die Zinsen und Risikoaufschläge senken und den Forint stabilisieren. Ob es auch den IWF beeindruckt, bei den anstehenden Verhandlungen, darf bezweifelt werden. Der hätte, angesichts der vielen anderen Baustellen, nichts dagegen, Ungarn keinen Kredit geben zu müssen.

China erfreut sich in Ungarn an heimischen “Standards”

China ist seit der Machtübernahme des Fidesz immer stärker in Ungarn präsent, denn schon seit gut zwei Jahren fahren immer wieder Wirtschafts- und Ministerdelegationen nach Peking, im Vorjahr war Wen Jabao in Budapest. Die staatliche Entwicklungsbank und andere Großbanken eröffneten Filialen, die mehr oder weniger freundliche Übernahme der Chemiefabrik Borsodchem markierte sogar die größte Einzelübernahme in CEE durch China im Vorjahr. Bei Wens Besuch wurden einige Geheimabkommen geschlossen, deren Inhalt die parlamentarische Opposition erst über den Gerichtsweg einsehen konnte, gleichzeitig unterband man eine regierungskritische Demonstration, in dem man die mutmaßlichen Querulanten zur Passkontrolle in die Polizeidienstellen befahl und den Rest der Protestierer mit großen Fahnen verdeckte und mit weiträumigen Absperrungen von ihrem Demonstrationsrecht abschnitt.

Grundsätzlich ist die Diversifikation von Finanzquellen ein richtiger Schritt, doch bleibt ein Kredit ein Kredit. Er muss zurückgezahlt werden und er schafft unweigerlich gewisse Abhängigkeiten. Welchen Preis Ungarn für diese neue Partnerschaft einmal zahlen wird, ist bis heute noch gar nicht abzusehen, dass das Engagement der Chinesen allein auf einer gleichberechtigten win-win-Situation fußt, darf ausgeschlossen werden, ein kleiner Blick in die Welt chinesischer Expansionsprojekte beweist das schnell.

Keine Fragen und untertänigste Arbeitskräfte

Viel eher hat Peking erkannt, dass man in Budapest keine unbequemen Fragen nach weggesperrten Dissidenten, der Todestrafe, Menschen- und Bürgerrechten oder gar Umweltschutzstandards stellt und für die Chinesen notfalls ein "umstandsloses" Investitionumfeld bereitet wird, einschließlich eines Arbeitsrechtes, gegen das sogar das chinesische - zumindest auf dem Papier - progressiv erscheint. So gesehen zahlen die ungarischen Arbeitnehmer schon heute den Preis für die “Ostöffnung”, sozusagen im Voraus.

Im Orbánschen Neusprech hört sich die politisch-moralische Seelenverwandschaft China-Ungarn dann so an: "China ist der Ansicht, dass Ungarn ein stabiles Land mit gut ausgebildeten Arbeitskräften ist, ein Wirtschaftswachstum leicht über dem EU-Durchschnitt vorweisen kann und finanziell stabil ist.". Die Chinesen hingegen werden Ungarn als schwächstes Glied in der Kette identifiziert haben, freilich kann ein Orbán das nicht eingestehen, wohl nicht einmal für sich.

Einäugig statt zweibeinig?

 

Die ungarischen "Strategen", in ihrem grenzenlosen Drang das EU-Mitglied Ungarn von der EU, "dem neuen Moskau" (Orbán) "unabhängiger" zu machen, sprechen regelmäßig auch in Russland (eigentlich ein ungarischer Erzfeind), Saudi-Arabien und sogar im Iran vor und bieten ziemlich umstandlos ihr heiliges Ungarn feil, das sie gegenüber ihren eigentlichen Freunden so verbissen verteidigen wollen.

Mit China hat man nun wieder so einen "strategischen Partner", der die Übergröße der einstigen Sowjetunion und der heutigen EU noch übertrifft. Ungarn glaubt sich kurzfristig in einer günstigen Situation, mittelfristig manövriert man sich so aber wieder in allzu bekannte gefährliche Abhängigkeiten. Die vermeintliche Zweibeinigkeit kann sich bald als Einäugigkeit herausstellen, der neue Gläubiger irgendwann die Bedingungen diktieren wird.

Am Freitag fliegt Premier Orbán nach Kasachstan, um eine MOL-Investition über rund 200 Mio. EUR unter Dach und Fach zu bringen.

red. / pk.

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