THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 13 - 2014   WIRTSCHAFT 27.03.2014

 

Am roten Knopf

Ungarn kauft weiteren Energieversorger und wichtigsten TV-Broadcaster Antenna Hungária auf

Die staatliche MVM übernimmt die Ex-RWE-Beteiligung Fögáz vollständig von der Stadt Budapest. Eine logische Folge der "Non-Profit"-Strategie der Orbán-Regierung. Auch Antenna Hungária, unverzichtbar für die Übertragung von TV- und Rundunksendungen in Ungarn, geht in Staatshände und Orbán bekommt damit einen mächtigen Hebeln in die Hand. Nächstes Jahr gehts bei der "Verstaatlichung" um Land, Einzelhandel - und: Banken.

Die staatlichen Elektrizitätswerke MVM (auch Betreiber des AKW Paks) übernehmen nach dem 49,83%igen RWE-Anteil am Hauptstädtischen Gasversorger Fögáz auch den Mehrheitsanteil der Stadt Budapest, womit der ungarische Staat alleiniger Eigentümer des Gaslieferanten für rund 820.000 Endkunden wird. Das war am Dienstag aus dem Amtsblatt Magyar Közlöny zu erfahren, am Mittwoch wurde der Schritt auf einer außerordentlichen Hauptversammlung abgesegnet. Für das Gesamtpaket zahlt der Staat rund 90 Mrd. Forint (heute ca. 288 Mio. EUR).

Die Aktion ist Teil des Plans, möglichst die gesamte Versorgungsindustrie für Endkunden in staatliche Kontrolle zu bekommen und einen
"non-profit"-Sektor daraus zu machen. Das geht mit mehrstufigen Energiepreissenkungen (bisher um ca. 23%) einher, was die Verkaufsentscheidung von RWE, aber zuvor auch E.ON und anderen ausländischen Energiemultis deutlich erleichterte, aber auch die Investitionen gegen Null fuhr. Bei der Übernahme der E.ON-Gastöchter allerdings gehen Marktbeobachter von einem völlig überhöhten Kaufpreis aus politischen Gründen (Rücksicht auf Merkel-Deutschland als Verbündeten in Brüssel) aus.

Dass sich die Verstaatlichung des Sektors mittelfristig günstig auf die Energiepreise auswirkt, wird wetihin bezweifelt, nicht nur bei der politischen Opposition, die alles ohnehin für einen Schwindel und sozial unausgewogenen Populismus hält. Die heutigen Preissenkungen könnten aufgrund von Investitionsstaus, Missmanagement, Korruption und entstehendem Technologie-Rückstand später durch erhöhte Steuern mehr als wieder aufgehoben werden und sogar die Versorgungssicherheit gefährden. Auch die Kaufpreise selbst belasten bereits das angespannte Budget, ja, zum Teil wurden sogar
extra neue Schulden für die Erwerbungen aufgenommen Mehr in Finanziers fürs Staatsmonopoly. Die Staatsschulden stiegen, trotz Einmaleffekten und Sondersteuern auf ein neues Rekordhoch und liegen seit der USD-Anleihenbegebung bereits über 83% des BIP.

Am Mittwoch wurde ebenfalls die vollständige Übernahme des früher staatlichen Broadcasting-Unternehmens Antenna Hungária vom französischen Unternehmen FTD durch die staatliche NISZ verkündet. Der Deal soll bis Ende Mai für 56 Mrd. HUF (also rund 180 Mio. EUR) abgewickelt sein. Mitte des vorigen Jahrzehnts wurde das Unternehmen an die Swisscom zu 75% veräußert und dann weiterverkauft, Glied in der Privatisierungskette war (neben den üblichen Seilschaften) auch ein stadtbekannter Oligarch, der heute mit der Magyar Hírlap eine der lautesten Posaunen Orbáns am rechten Orchesterrand ist und u.a. auch mit der Marke Ikarus, bzw. deren Patenten einträgliche Geschäfte machte und macht.

 

Antenna Hungária ist der wichtigste Anbieter von Broadcasting-Diensten des Landes, kaum ein TV- oder Rundfunksender käme ohne die terrestrischen oder satellitenbasierten Dienstleistungen in die Wohnzimmer der Bürger, daneben betreibt das Unternehmen auch ein Hochleistungs-Glasfasernetz für Internet und Kabel-TV sowie andere Anwendungen, was die strategische Bedeutung für die Regierung erklärt, die damit einen mächten "Hebel" in Händen hält, zumal man mit dem Kauf des zweitgrößten Privatsenders TV2 durch Strohmänner und den Einfluss auf den Staatsfunk nu wesentliche Teile der medialen Nahrungskette kontrolliert. Auch bei diesem Deal zahlte sich die jahrelange gesetzliche und medienrechtliche Verunsicherung der Eigentümer und des Marktumfeldes günstig auf die Übernahmegespräche aus.

In der kommenden Legislaturperiode werden - neben der Landnahme und einigen kleineren Einzelhandels-Coups - vor allem Banken ins Visier der Verstaatlichungen geraten. Mit Hilfe eines anvisierten gesetzlichen Zwangsumtausches für Forex-Kredite sollen rund 4-6 Institute übernommen werden oder "vom Markt verschwinden", Vorgabe: 50% des Bankenmarktes in "ungarische Hand", womit nicht zwangsläufig die staatliche gemeint ist, Parteigünstlinge erfüllen den Zweck auch, wie bei der Takarékbank kürzlich bewiesen wurde.

cs.sz.

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