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(c) Pester Lloyd / 40 - 2013   WIRTSCHAFT   03.10.2013

 

Interpol, übernehmen Sie...

Schwere Spannungen zwischen Ungarn und Kroatien wegen MOL/INA

Der Chef des ungarischen MOL-Konzern, Zsolt Hernádi, wird seit Mittwoch, auf Betreiben Kroatiens, von Interpol mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Der Regierung in Budapest platzte nun endgültig der Kragen, sie sagte ein Ministertreffen ab und will ihren Aktienanteil an der kroatischen Tochter INA Hals über Kopf verkaufen. Natürlich ist Ungarn wieder nur das Opfer, dass MOL womöglich doch etwas mit dem Bestechungsskandal rund um Ex-Premier Sanader zu tun gehabt haben könnte, ist für die Ungarn ausgeschlossen.

“Steile” Karriere: Vom Vorstandschef des umsatzstärksten Konzerns des Landes zum international gesuchten “Verbrecher”. Fahndungsaufruf von Interpol im Internet von heute, Mittwoch.

Zsolt Hernádi verweigerte Ende September einer Ladung der kroatischen Antikorruptionsstaatsanwaltschaft zu folgen, die ihn zu Geldflüssen an dem bereits deshalb verurteilten Ex-Premier Kroatiens, Ivo Sanader sowie zu Vorwürfen der Kursmanipulation im Zusammenhang mit dem Erwerb von INA-Anteilen befragen wollte (Details in den Links unter dem Beitrag). Daraufhin folgte zunächst ein kroatischer Haftbefehl, nun die internationale Version davon, die Hernádi in den ungarischen Landesgrenzen gefangen hält oder ihm nur die Ausreise in die Länder ermöglicht, die Interpol nicht anerkennen.

Die ungarische Seite wies alle juristischen Forderungen der Kroaten brüsk zurück und betrachtet den Fall des Managers aus dem einzigen Grund als rechtlich erledigt, da ein ungarisches Gericht bereits feststellte, dass es keine Anhaltspunkte für strafrechtlich relevantes Verhalten gäbe. Eine Auslieferung kommt natürlich nicht in Frage, eine Prüfung nach kroatischem Recht oder dortiger Aktenlage auch nicht, es gibt kein Rechtshilfeabkommen. Inwieweit die Prüfung in Ungarn seriös erfolgte, lässt sich kaum nachvollziehen, Hernádi ist jedenfalls seit Generationen von Ministerpräsidenten ein Günstling der Macht und hat bisher jeden der zahlreichen politischen Wechsel in Ungarn schadlos überstanden.

Die ungarischen Offiziellen, aber auch MOL, sehen in den Anstrengungen zur Verfolgung Hernádis in Kroatien nur einen Vorwand, um letztlich den Deal des INA-Erwerbs rückängig machen zu können und wieder die Kontrolle über den Ex-Staatskonzern zu gewinnen. MOL schaffte nämlich bei der Teilprivatisierung das Kunststück, nur rund 47% der Aktien erwerben zu müssen, sich aber trotzdem die kompletten Managementrechte und alle Rechte über strategischen Entscheidungen zusichern zu lassen, was die heutige kroatische Regierung bedauert.

Seitdem versucht man es MOL so schwer wie möglich zu machen, zog alle juristischen Register, hetzte die Gewerkschaften auf, verschleppte Genehmigungen, drohte mit Preisdecklungen und Lizenzentzügen. MOL sanierte die INA mit viel Geld und riesigem Aufwand, machte das Staatsunternehmen zumindest teilweise profitabel, freilich zu hohen Preisen: mit Massenentlassungen und enormen Benzinpreiserhöhungen machte man sich keine Freunde. Auch störte man die Kreise ehemaliger Funktionäre und einflussreicher Platzhirsche. Dutzende entsandte MOL-Manager wurden arbeitsrechtlich nicht in Kroatien angemeldet, was die Gegenseite wiederum nutzte, um die in Ungarn nur allzuoft verwandte Parabel von der Kolonialisierung ins Feld zu ziehen.

Dass sich das MOL-Management oder damit verbundene Personen bei der Privatisierung und anschließenden Machtsicherung nicht nur mit rechtsstaatlichem Ruhm bekleckerten, darf als gesichert gelten, allein, der Nachweis wurde bisher noch nicht erbracht. Die Verurteilung des Ex-Premiers Sanader zu einer Gefängnisstrafe, explizit wegen der Annahme von 15 Mio. EUR im Gegenzug zum MOL-Verkauf, machte die Angelegenheit hochpolitisch. Nun, mit dem Interpol-Bescheid in der Tasche, schaffte man es endgültig, dass Orbán der Kragen platzte.

Am Mittwoch blies die ungarische Regierung zum Gegenangriff oder zumindest zu etwas, was man dafür hält. Die Aktion kann sich nämlich noch als teurer Bumerang herausstellen. In einer Erklärung im Anschluss an die allwöchentliche Kabinettsitzung eskalierte man die Affäre. Darin heißt es, dass MOL - als größter ausländischer Investor in Kroatien - über die INA mittlerweile über 3 Mrd. EUR investiert habe und "allen" seinen Verpflichtungen aus dem Privatisierungsvertrag nachgekommen sei, während die kroatische Seite dies "nicht oder nur teilweise" tat.

Man ging davon aus, heißt es weiter, dass die Meinungsverschiedenheiten “bisher eine Sache zwischen Eigentümern und Anteilseignern” seien, doch die Schritte der kroatischen Regierung hätten nun klar gemacht, dass dem nicht so ist. Es handele sich um eine "fortgesetzte politische Kampagne gegen die MOL und deren Management". Die "Methoden seien innerhalb der EU inakzeptabel, Ungarn kann diese Schritte nicht unbeantwortet stehen lassen."

Eigentümerstruktur der MOL, Stand 31.03.13, Quelle: MOL

Man verstünde ja, wenn die Kroaten die Kontrolle über ihre strategischen Industrien zurückhaben wollten, in Ungarn sei das ja auch der Fall, "doch hier herrschen dafür zivilisierte Methoden", nicht so in Kroatien. Das ist angesichts der Art und Weise wie in Ungarn Energieversorger und Banken für Übernahmen stumreif geschossen werden, ein ziemlich starkes Wort. Wie auch immer, die Ungarn wollen nicht hinnehmen, dass "außerökonomische Angelegenheiten" herangezogen werden, um "den wichtigsten Investor" des Landes zu Schaden zu bringen, so wie "die ungarische Regierung immer ihre Stimme gegen dubiose Praktiken, die aus dem Rahmen rechtsstaatlicher Prinzipien fallen, erheben wird." Auch das ein echter Schenkelklopfer, der nicht wenige in Brüssel und auch Anderswo zum schmunzeln oder weinen bringen wird.

Die Antwort der Regierung lautet nun praktisch wiefolgt:

1. der ungarische Außenminister sagt ein für 3. Oktober angesetztes Ministertreffen in Dubrovnik ab
2. der größte Anteilseigner der MOL, der ungarische Staat (siehe Grafik) fordert das Management der MOL auf, zu prüfen, ob die Beteiligung an der INA an den kroatischen Staat oder einen Dritten verkauft werden kann.
3. Justizministerium und staatliche Vermögensverwaltung (der Aktienhalter) sollen straf- und zivilrechtliche Schritte prüfen und einleiten, die geeignet sind, die Verluste der MOL zu kompensieren.

Es wurde, noch bevor der ungarische Staat über die Orbán-Regierung vor zwei Jahren den MOL-Anteil von der russischen Surgutneftegas erwarb, die diesen zuvor von der österreichischen OMV gekauft hatte, gemunkelt, die Russen wollten MOL aus Kroatien herausdrängen. Dies könnte nun von Erfolg gekrönt sein.

Die Fragen die offen bleiben sind:

> Wird Hernádi möglicherweise in Abwesenheit der Bestechung für schuldig befunden, könnte der INA-Kauf durch die MOL als nichtig erklärt werden, die Aktien sogar beschlagnahmt werden, MOL und damit der ungarische Staat würden praktisch enteignet und verlören alles.

> Wenn Hernádi unschuldig ist, wie Budapest behauptet, warum stellt man sich dann nicht dem Verfahren? Immerhin hat man, nun da Kroatien EU-Mitglied ist, Möglichkeiten der Revision auch außerhalb der Zagreber Richter, wenn man denen schon kein faires Verfahren zutraut. Der hektische Verkaufsaufruf klingt wie ein Schuldeingeständnis. Dass man unter diesen Umständen einen guten Preis für seine Anteile erhalten wird, ist kaum denkbar, großt Teile der Milliarden-Investition wären futsch, das Ergebnis der MOL wäre belastet, was auch Auswirkungen auf den Staatshaushalt und damit auf die Bürger hat.

> Wie reagiert Orbán, wenn die Mehrheit der Aktionäre gegen den Verkaufswunsch des Hauptaktionärs stimmt, immerhin sind Dreiviertel der Aktien in Fremdbesitz, zum großen Teil in ausländischer Hand. Wenn die Regierung die Karte der Stimmenmehrheit ausspielt (z.B. mit OTP und anderen im Verbund), die internationalen Player werden sich nicht so ohne weiteres abspeisen lassen.

 

Dass die kroatische Seite sich die Verfehlung Sanaders zu Nutze machte, um sich - oder vielleicht doch einen russischen Partner - in eine bessere Situation zu bringen, mag sein. Auch die Beschwerde aus Zagreb, Ungarn kooperiere in dieser Strafrechtssache nicht mit seinem europäischen Partner ist, natürlich, angesichts des Verhaltens Kroatiens seine Kriegsverbrecher betreffend, ein schlechter Witz. In der Sache INA-MOL sitzen die Kroaten jedoch am längeren Hebel, wozu auch die heftige Reaktion der ungarischen Regierung, die sehr nach Überkompensation riecht, mit beitrug.

Die kroatische Regierung ließ am Mittwochabend verlauten, dass man das Statement aus Budapest nicht zu kommentieren gedenkt...

red. / cs.sz./ ms.

MOL/INA/OMV/SURGUT Chronik der Ereignisse (Auswahl)

Kroatien will ungarischen MOL-Chef wegen Verdacht auf ...
13. Sept. 2013 ... Schon 2009 gab es Zoff mit der Regierung, als der neue INA-Eigentümer MOL die Benzinpreise auf einen Schlag um 15% nach oben setzte.
www.pesterlloyd.net/html/1337inamolvorladung.html

Kroatien erläßt Haftbefehl gegen Chef von größtem Konzern in ...
vor 3 Tagen ... Marktbeobachter sehen die Sache nicht so eindeutig: deren Einschätzungen schwanken von Wertverlusten für die MOL/INA-Aktien bis hin zum ...
www.pesterlloyd.net/html/1340haftbefehlmol.html

Finanzaufsicht in Kroatien wirft MOL Manipulation vor - Pester Lloyd
19. Mai 2011 ... MOL hält derzeit offiziell 47,75% an der INA, der kroatische Staat 44,84%, den Rest teilen sich Kleinaktionäre und Institutionelle wie z.B. einer ...
www.pesterlloyd.net/2011.../20INAMOLStreit/20inamolstreit.html

Kroatien: Warnung an MOL-Manager - Pester Lloyd
26. Aug. 2009 ... Kroatien: Warnung an MOL-Manager. Um 15% erhöhte letzte Woche der kroatische Ölkonzern INA die Benzin- und Dieselpreise an den ...
www.pesterlloyd.net/2009_35/0935ina/0935ina.html

Ungarische MOL im Visier der kroatischen Staatsanwaltschaft
5. Apr. 2011 ... Ungarischer MOL werden Aktientricks in Kroatien vorgeworfen. Die Aktien des kroatischen Mineralölkonzerns INA sind derzeit vom Handel ...
www.pesterlloyd.net/2011_14/14INAMOL/14inamol.html

MOL: Ein gutes, noch kein exzellentes Jahr für Ungarns größtes ...
16. Febr. 2011 ... Mittleren Osten wird weiter ausgebaut, INA in Kroatien ist weitgehend integriert, den Fall Surgut übernimmt die Politik. DIe MOL, konnte gestern ...
www.pesterlloyd.net/2011_07/07mol2010/07mol2010.html

Urteil gegen Ex-Premier von Kroatien bringt Ungarn in Erklärungsnot
21. Nov. 2012 ... Die zweite Frage betrifft die Beteiligung an der INA, die die MOL seit 2003 sehr viel Geld in Hoffnung auf strategische Vorteile und künftige ...
www.pesterlloyd.net/html/1247sanadermol.html

31molschwarzarbeit - Pester Lloyd
2. Aug. 2010 ... Die ungarische MOL soll etliche Mitarbeiter “illegal” bei INA in Kroatien beschäftigen. Das Unternehmen spricht von Know-how-Transfer.
www.pesterlloyd.net/.../31molschwarzarbeit/31molschwarzarbeit.html

"Europa auf Ungarns Weg": Treffen der Premiers Ungarn-Kroatien
9. Mai 2012 ... Die ungarische MOL hält knapp die Hälfte der INA-Anteile (deren Erwerbsumstände übrigens immer noch vor Gerichten verhandelt werden, ...
www.pesterlloyd.net/html/1219treffenkroatien.html

Machen die Russen den Ungarn ein Angebot in Kroatien, dass ...
23. Okt. 2009 ... Allerdings im Tausch für den 47,2%-Anteil, den die MOL seit Ende 2008 an der kroatischen INA hat. Bei der Interpretation dieses Schachzugs ...
www.pesterlloyd.net/2009_43/0943molina/0943molina.html

Was will Surgut von MOL? - Der MOL-Chef weiß es immer noch nicht
13. Nov. 2009 ... Der MOL-Chef weiß es immer noch nicht. Der kroatischen INA-Anteil der MOL werde nicht verkauft, schon gar nicht an die Surgutneftegas und ...
www.pesterlloyd.net/2009_46/0946mol/0946mol1.html

Ungarn holt sich MOL-Aktien von Russland zurück
25. Mai 2011 ... Im Hintergrund munkelte man, dass die Russen auf die INA-Anteile der MOL in Kroatien schielten und die MOL-Aktien dabei als Druckmittel ...
www.pesterlloyd.net/2011_21/21molaktien/21molaktien.html

MOL zahlt wieder keine Dividende, investiert aber kräftig
30. Apr. 2010 ... Während 2010 und 2011 für MOL im Zeichen der Konsolidierung stehen, vor allem die INA-Integration und das Raffineriegeschäft machen hier ...
www.pesterlloyd.net/2010_17/17mol/17mol.html

MOL macht Gewinne durch "Finanzeffekte", das operative Geschäft ...
30. Aug. 2009 ... MOL verdiente von April bis Juni 178,5 Mrd. Forint, rund 660 Mio EUR, ... 16,7 Mrd. HUF, 51% mehr als vor einem Jahr (INA-Kauf in Kroatien).
www.pesterlloyd.net/2009_35/0935mol/0935mol.html

Offizielles Surgut-Angebot zu INA - Pester Lloyd
20. Nov. 2009 ... Das MOL-Management schloss erst vor kurzem einen solchen Deal kategorisch aus, man habe die INA-Anteile nicht zum Spaß erworben und ...
www.pesterlloyd.net/2009_47/0947surgut/0947surgut.html

Wirtschaft Ungarn - Portal Pester Lloyd
Der kroatische Ex-Premier Sanader fasste für Bestechlichkeit bei der Übernahme der kroatischen INA durch die ungarische MOL bereits zehn Jahre Haft ab.
www.pesterlloyd.net/portalwirtschaft/portalwirtschaft.html

Pester Lloyd - Zeitung für Ungarn und Osteuropa - Ausgabe 37 / 2013
Der kroatische Ex-Premier Sanader fasste für Bestechlichkeit bei der Übernahme der kroatischen INA durch die ungarische MOL bereits zehn Jahre Haft ab.
www.pesterlloyd.net/html/2013_37.html

Streit um MOL-Zukauf in Kroatien - Pester Lloyd
16. Dez. 2010 ... Das Angebot der MOL, rund 800.000 bzw. ca. 8% der Aktien der kroatischen Tochter INA aus dem Freihandel aufzukaufen, hat zu einem ...
www.pesterlloyd.net/2010_50/50INAMOL/50inamol.html

Eintritt verboten - Surgutneftegas bleibt bei MOL vor der Tür
23. Apr. 2010 ... Die MOL fürchtet außerdem, dass Surgut seine Aktien als Druckmittel für einen Tausch gegen den MOL-Anteil bei der kroatischen INA ...
www.pesterlloyd.net/2010_16/16surgut/16surgut.html

MOL kündigt Milliardeninvestition in Ungarn an
25. Sept. 2012 ... Der Energiekonzern MOL, zu rund einem Viertel in Staatsbesitz, hat für ... auch die INA-Beteiligung in Kroatien und anfwendige Explorationen ...
www.pesterlloyd.net/html/1239mol300milliarden.html

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