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(c) Pester Lloyd / 46 - 2013   POLITIK / WIRTSCHAFT   11.11.2013

 

Die “Bank” gewinnt immer...

King´s Casino-Investoren verklagen Ungarn: für die Regierung ein PR-Jackpot

Das Investorenkonsortium von Ronald Lauder und Joav Blum, das sich unter den sozial-liberalen Vorgängerregierungen um die Errichtung eines gigantischen Casino- und Entertainment-Komplexes für bis zu einer Milliarde Euro am naturgeschützten Velence See beworben hatte, verklagte den ungarischen Staat in den USA auf umgerechnet fast 340 Millionen Euro (100 Milliarden Forint) Schadensersatz. In dieser Woche beginnen die Anhörungen, der ungarischen Regierung kommt der Fall gerade recht.

Ein Entwurf des King´s Casino-Projektes, wie ein Raumschiff in die Idylle des Velence...

Von der Misswirtschaft zum Politmissbrauch

Das von Anfang an überdimensionierte und, mehr noch deplatzierte Projekt "King´s Casino" (siehe
"Zockertempel mit Seeblick" von 2009) rund um Sukoró am Velence See, scheiterte, nach dem ein Grundstückstausch der Investoren mit staatlichen Liegenschaften rückgänig gemacht wurde, da die von der Vigotop-Gruppe (damals über die KC Bidding) getauschten Grundstücke weit unter dem Wert der staatlichen am See waren. Der Fall wurde gerichtsanhängig, schon unter den Vorgängerregierungen wurde der damalige Chef des Liegenschaftsamtes entlassen, später, auch wegen anderer Fälle, verurteilt (Foto). Seit 2009 versuchte das Amt über Gericht den Deal zurückzudrehen.

Die Fidesz-Regierung sah in dem Fall von Anfang an Machtmissbrauch und Korruption seitens der Ex-Premiers Gyurcsány und Bajnai und setzte einen eigenen "Regierungskommissar" ein, der, einem Racheengel gleich, dieses "Verbrechen am ungarischen Volk" aufklären und politisch wertschöpfend in Szene setzen sollte. Auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, freilich Fidesz-dominiert, legte strafrechtliche Ermittlungen nahe.

Oberstes Gericht annullierte letztlich den Deal

Die Gerichte konnten jedoch aus der administrativen Aufsichtsrolle der Premiers keine strafrechtlich relevanten Taten ableiten, die Beschuldigten
sprachen von einem politischen Schauprozess und versicherten nach bestem Wissen gehandelt zu haben, räumten jedoch ein, den Deal heute so nicht mehr umzusetzen. Die Regierungspartei bezichtigte sie daraufhin der Falschaussage, Bajnai klagte wegen Verleumdung zurück und gewann, zumindest juristisch, denn politisch blieb der Schwarze Peter für die Verscherbeler heiliger ungarischer Erde bei den Ex-Premiers bis heute kleben, zumindest für die Mehrheit in Ungarn. Schließlich ging es während derer Amtszeiten nicht nur um ein schräges Projekt.

Am Ende blieb es bei der Geschäftsstornierung, einer Strafanordnung an die Investoren sowie einigen disziplinarischen Entlassungen niederer bis mittlerer Beamter. Das Oberste Gericht, die Kurie, erklärte den Tauschvertrag vor einem Jahr für null und nichtig. Die Partei-PR trommelte weiter, Orbáns Racheengel allerdings wurde zwischenzeitlich zum Reichsmelonenbeauftragten “befördert”.

Bajnai und Gyurcsány als Zeugen gegen ihr Land?

Sowohl mit der Rückabwicklung des Grundstücksgeschäftes als auch mit dem Platzen des Gesamtprojektes wollen sich die Investoren nicht abfinden. Wie die regierungsnahe Zeitung "Magyar Nemzet" berichtet, zog Vigotop jetzt vor das in Washington bei der Weltbank angesiedelte Internationale Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten (ICSID). Die Kläger berufen sich dabei auf ein Internationales Investitionsschutzabkommen, dem sowohl Ungarn wie auch Zypern, dem Sitz der Firma, angehören. Wie zu hören, werden Lauder und Blum selbst die Lage und ihre Sicht schildern und wollen dabei auch früher vor dem Parlamentsausschuss sowie vor Gerichten getätigte Aussagen von Ex-Finanzminister Oszkó, Mitarbeitern der Investitionsförderungsagentur ITDH sowie den beiden Premiers ins Spiel bringen.

Die Anhörungen sollen rund zwei Wochen dauern, es ist auch denkbar, dass das Gericht die Zeugen persönlich vorlädt, was vor allem im Falle des für die nächsten Wahlen ambitionierten Bajnai ein Problem würde. Sollte er wirklich persönlich in Washington auftreten oder sonst irgendwie zu einer zentralen Figur in der Verhandlung werden, kann er sich die Mühen des kommenden Wahlkampfes eigentlich ersparen und Urlaub auf Zypern machen. Das Urteil des Schiedsgerichtes ist, da beide Staaten seine Zuständigkeit völkerrechtlich anerkannt haben, verbindlich. Die Budapester 2/3-Mehrheit wird diesem dennoch mit Gelassenheit entgegensehen.
 

Die Repräsentanten Ungarns und der Vigotop-Gruppe, Premier Orbán und Ronald Lauder (hier beim kürzlichen Jüdischen Weltkongress in Budapest) hatten schon manches politische Sträuschen ausgefochten.
Nun sind sie auch Gegner vor Gericht.

Multis, Sozis und Juden: die Konstellation hätte man nicht besser erfinden können

Nicht nur das, politisch kommt der heutigen Regierungspartei das Verfahren sehr entgegen, liefert sie doch der gern bespielten Klaviatur von der Gier ausländischer Investoren, die sich - im engen Zusammenwirken
mit ihren "sozialistischen Vasallen" (Orbán) - rücksichtlos das Land aneignen wollen, ein paar neue, unerhörte Noten. Dass es sich bei den Investoren dazu noch um Israelis bzw. jüdische US-Bürger handelt, und das Gericht bei der Weltbank in der "Ostküsten"(lies: Juden-)-Hauptstadt Washington angesiedelt ist, wird zwar von der Regierungspartei nicht dezidiert betont, ist aber eine dankbar angenommene Aneinanderreihung der abgeschmacktetsten Klischées, die das Sentiment der den Rechtsextremen zuneigenden Anhängerschaft immer noch trefflich bedienen werden. Schließlich müht sich Fidesz nach Kräften deren Interessen mitzubedienen, um die rechte Flanke nicht übergroß werden zu lassen und sich ihre Machtbasis rechts von der Mitte zu sichern. Man zockt sozusagen mit der Rechten. Dass der Haupteigentümer, Ronald Lauder, auch noch Präsident des Jüdischen Weltkongresses ist, stellt einen selbsterklärenden Jackpot dar. Besser hätte man es nicht erfinden können.

Sozialisten dienen ausländischen Interessen

Es dauerte sodann auch keine zwei Stunden bis die Fidesz-Sprecherin Gabrielle Selmeczi auf den - nicht zufällig - in der Regierungszeitung platzierten Artikel aufsprang: Es sei ja "traurigerweise keine Überraschung, dass die beiden früheren ungarischen Regierungschefs im Ausland gegen ihr eigenes Land aussagen werden." Denn, sie "haben ja nie die Interessen der ungarischen Menschen an erster Stelle behandelt, weder in der Regierung, noch in der Opposition." Es "wundert also überhaupt nicht, dass die Sozialisten auch jetzt ausländischen Interessen dienen...". Feingeister könnten aus Selmeczis Tirade den Lapsus herauslesen, dass die Sozis zumindest noch ausländisches Kapital ins Land holen wollten, wie sinnlos es auch immer angelegt würde, die jetzige Regierung dagegen wirklich nur "ihren" Interessen dient und eigentlich aus dem ganzen Land ein Casino macht, bei dem immer nur einer gewinnt. Doch so subtil ist das ungarische Durchschnittswahlschaf nicht veranlagt, die Botschaft kommt an, es ist klar, wer gut, wer böse ist.

Orbáns Partei kann nur gewinnen

Dass die Regierung die Sache gerade jetzt wieder in den Vordergrund stellt, ist auch deshalb klar dem Wahlkampf zuzuordnen, da die Klage bereits seit dem August 2011 aktenkundig ist (ICSID ARB/11/22), also rund ein halbes Jahr, nachdem das
amtliche Aus absehbar war und wird seit 2012 von dem Deutschen Klaus Sachs geleitet wird, der wiederum Partner einer der größten Rechtsanwaltssozietäen Europas, CMS Hasche Sigle, ist. Er darf davon ausgehen, dass jede Entscheidung, jede Zeugenladung, jede Publikation in Ungarn als Politikum verwertet wird, es - andererseits - aber egal ist, wie die Sache ausgeht: verliert Vigotop, gewinnt Ungarn, also Fidesz. Verliert Ungarn, ist es das Opfer ausländischer Mächte, somit Fidesz umso mehr der Gewinner.

Keine schützenswerte Investition

Es wäre sehr hilfreich, sowohl für die Ökonomien als auch die politische Kultur, wenn die Weltbank und ihr Schiedsgericht sowie deren Vertragspartner hinfort solcherat “Investitionen” einfach nicht mehr unter Schutz stellen, sondern als das behandeln was sie sind, ein Glücksspiel, das auf eigenes Risiko zu unternehmen ist und das sonst niemand braucht. Kapital, das sich vermehren will, findet andere Anlagemöglichkeiten, die einen Rechtsschutz lohnen und nicht noch Populisten in die Hände spielen.

 

Krisengebremster Größenwahn

Gigantomane Großprojekte wie das King´s Casino scheiterten der Reihe nach an der Kreditklemme während und nach der Lehman-Krise ab 2008. Erst kürzlich kaufte die Regierung die Budapester Schiffsbauinsel zurück, nachdem die dort projektierte "Trauminsel" strandete, auch einem "Seepark" bei Budapest und mehreren Themenparks ging rechtzeitig vor der Umsetzung die Luft aus, ebenso ein von einem ungarischen Oligarchen betriebenes Großcasino-Projekt "Metropolis" in den Vororten Bratislavas.

Andauernd in der Luft hängend befindet sich das Projekt "Eurovegas" in Bezenye, im Dreiländereck mit der Slowakei und Österreich, das gefühlt ein Dutzend Baubeginne erlebte und ein Gemeinschaftprojekt zwischen österreichischen Entwicklern (Asamer Gruppe u.a.) sowie der Hardrock-Hotel- und Casinogruppe aus einem US-amerikanischen Indianerreservat darstellt. Als abgespeckte 300-Mio-EUR-Version sollte es nun endlich an den Start gehen, seit Jahren schon besitzen die Investoren eine staatliche Casino-Lizenz, die endlich vergoldet werden soll und so ganz nebenbei auch vom Geldspielautomatenverbot ausgenommen ist. Zunächst soll neben dem Casino nur ein Hardrock-Konferenz-Hotel entstehen, doch im Sommer verzögerte sich die Geldbeschaffung erneut. Hier der (vermutlich vorletzte) Stand der Dinge.

Die bodenständige Logik der Fidesz-Wirtschaftspolitik

Wer hätte gedacht, dass in der "Wirtschaftspolitik" der Fidesz-Regierung doch eine gewisse Logik steckt: Tabakhandelsmonopol, EU-Geldvergaben, Landverpachtung sind doch weitaus bodenständiger als irgendwelche überteuerten Luftschlösser. Sie orientieren sich nämlich an bereits vorhandenen Märkten und Ressourcen, das gleiche gilt für steuerfinanzierte Stadionbauten im "nationalen Interesse" und viele andere Aspekte der Prestige- und KMU-Föderungen. Diese Politik ist krisenresistent und gewährt ein "organisches" Wachstum für "viele wunderbare Jahre", sprich: die “Bank” gewinnt immer.

red. / ms.

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